Gestern war Dreikönigstag. Ursprünglich und eigentlich heißt der Tag Epiphanias, also Erscheinungsfest. Es geht dabei auch nicht darum, dass orientalische Würdenträger in Betlehem erschienen, sondern dass der Messias höchstselbst in der Welt erschienen ist. Viele christliche Kirchen feiern Weihnachten traditionell am 6. Januar.
Dazu passt, dass die drei Könige eine spätere Erfindung sind. Der Evangelist Matthäus schreibt weder von Königen, noch dass es drei gewesen sein sollen. Welcher König würde schon selbst aufbrechen, um in einem unbedeutenden, von den Römern besetzten Land einem neugeborenen König zu huldigen. Für so etwas schickt man seine Botschafter.
Der biblische Text legt so gar nahe, dass die Weisen, wie sie in den meisten deutschen Übersetzungen genannt werden, aus eigenem Antrieb gekommen sind. Es handelt sich um Magier, Sterndeuter, Astrologen. Dass der Stern vor ihnen hergegangen und ihnen so den Weg gezeigt haben sein soll, ist wohl dem jüdischen Schreiber zuzuordnen, der weder Astrologie noch von Astronomie viel Ahnung gehabt haben dürfte. Die Sterndeuter werden wohl eine Konstellation gesehen haben, die für sie eindeutig war, auch wenn wir heute nicht mehr genau nachvollziehen können, welche das gewesen sein soll.
Damit dürfte sich auch das Attribut heilig erledigt haben. Das Urteil der Bibel über Astrologen im Besonderen, Weissager im Allgemeinen, und erst recht über Magier ist eindeutig, eindeutig negativ. Kein Jude bei klarem Verstand hätte diese Gruppe heidnischer Magier als heilig bezeichnet. Da sie aus dem fernen Ausland angereist sind, gebietet die Gastfreundschaft (und die Diplomatie), die Fremden willkommen zu heißen. Hätten Juden derart Astrologie betrieben, wäre nach dem jüdischen Gesetz vermutlich Steinigung die richtige Antwort gewesen.
Ich möchte damit keinesfalls die Tat dieser Weisen klein reden. Sie sind auf eine lange, beschwerliche Reise aufgebrochen, um zu den ersten zu gehören, die den Messias anbeten. Das ist jeder Ehre wert, egal auf welche Weise sie von der Geburt Jesu erfahren und was sie davon wirklich verstanden haben.
In anderer Hinsicht ist es natürlich ein großer Unterschied, ob der neugeborene Jesus von einer Delegation ausländischer Könige oder von einer Gruppe heidnischer Astrologen besucht wird, denn die wahre Geschichte hat auch einen Aspekt, der in der Bibel häufiger vorkommt: Alle kapieren, was Gott großes tut, nur die Juden nicht. Das ganze Buch Jona handelt davon: Es ist voll von Heiden, die die Macht Gottes begreifen und ihr Handeln danach ausrichten, nur der Prophet Jona, der einzige Jude in der ganzen Geschichte, begreift bis zum Ende nicht, was Gottes Herz wirklich bewegt.
Und noch eine populäre Zutat von Weihnachtskrippen schlägt in die gleiche Kerbe: Ochs und Esel kommen in den Weihnachtsgeschichten des Neuen Testamentes nicht vor. Statt dessen basieren sie auf Jesaja 1, Vers 3:
Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn; Israel aber hat keine Erkenntnis, mein Volk hat keine Einsicht.
Anbetung und Geschenke, das ist die Reaktion der Heiden auf den neugeborenen Jesus. Ganz ähnlich reagieren auch die Juden am unteren Rand der Gesellschaft; ich möchte die Hirten hier nicht unterschlagen. Die einzige Antwort des jüdischen Establishment? Der Kindermord des Herodes! Wobei ich jetzt nicht Herodes als typischen Juden hinstellen will. Seine Tat tauchte wohl deswegen kaum in der damaligen Geschichtsschreibung auf, weil rund ein Dutzend getöteter Säuglinge bei den sonstigen Untaten des Herodes nicht weiter ins Gewicht gefallen sind.
Ich schreibe das deshalb, weil die Menschheit, insbesondere der gläubige Teil davon, sich bis heute nicht geändert hat. Die Gewohnheit des Glaubens kann blind machen für das, was Gott wirklich wichtig ist. Manchmal haben gerade die außerhalb stehenden oder die an den Rand gedrängten einen klareren, unverstellteren Blick auf Gott. Wir tun gut daran, gerade auf die Gotteserkenntnis derjenigen zu hören, die unseren Glauben nicht teilen. Die Geisteshaltung eines Jona, der Pharisäer, ja selbst die des Herodes lauert auf uns und will sich unser bemächtigen. Der wertschätzende Blick über den christlichen Tellerrand bewahrt uns davor.
Ich halte absolut nichts von Astrologie. Spätestens seit der Entdeckung des Planeten Uranus müsste eigentlich jedem klar sein, dass die Sterndeuterei menschengemachter Unsinn ist. Wie kann man den Planeten unveränderliche Deutungen zuweisen, wenn sich schon deren Zahl ändert? Trotzdem lässt Gott anlässlich der Geburt seines Sohnes die Astrologen wirkliche Wahrheit erkennen. Der Gott, der sich in der Heiligen Schrift von Anfang bis zum Ende immer wieder gegen Sterndeuterei und Wahrsagerei ausspricht, offenbart sich durch Sterndeuterei und Wahrsagerei.
Ich wohne in der Innenstadt. Sterne sind hier kaum zu sehen, dazu ist es zu hell. Der Blick geht nur selten nach oben zum Himmel, dafür gibt es um mich herum zu viel zu sehen und zu beachten. Sterndeuterei ist für mich keine Gefahr, geistliche Kurzsichtigkeit aber schon. Ich erkenne ein gut Teil Herodes in mir. Keine Angst, ich werde bestimmt keine kleinen Kinder töten, aber auf alles, was meine gewohnten Kreise stört, reagiere ich viel zu oft ängstlich und ungehalten. Ich bitte Gott, dass er meinem Blick die Weite gibt, die sein Wirken auch außerhalb meines begrenzten Horizonts sieht, die Weite, die seiner Größe würdig ist.