Monatsarchiv: Juli 2016

Updates

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Ab heute ist die Altersangabe in meinem ersten Eintrag nicht mehr aktuell. Außerdem findet an diesem Wochenende in Nürnberg das Bardentreffen statt, das für mich jedes Jahr ein musikalisches Highlight ist. Ich bin also dieses Wochenende ziemlich beschäftigt, deshalb gibt es heute nur ein paar neue und weniger neue Informationen.

Ich habe mir eine eigene Domain gegönnt. Ab sofort ist Herz im Wandschrank erreichbar unter:

herz-im-wandschrank.com

Tadaaaa! Die bisherige Adresse funktioniert natürlich weiterhin.

Dann möchte ich an dieser Stelle einmal auf den Verein Zwischenraum hinweisen, eine Gruppe homo- und bisexueller und trans*geschlechtlicher Christen mit vielen Regionalgruppen im deutschsprachigen Raum. Ich habe Zwischenraum vor etwa einem Jahr kennengelernt und dort viel Hilfe erfahren.

Leider sind die Regionalgruppen noch recht ungleich und keineswegs flächendeckend verteilt, so dass viele Zwischenraum-Mitglieder und -Freunde lange Wege für ein Treffen auf sich nehmen müssen. Einer dieser weißen Flecken auf der Karte ist der Norden Bayerns. Ich würde gerne im Großraum Nürnberg eine Gruppe gründen. Wer Interesse hat mitzumachen, findet hier die Kontaktinformationen.

Und dann gab es da noch ein Coming Out. Natürlich gab es da in meinem Leben viele davon, aber eines war für mich besonders wichtig und hat letztlich zu diesem Blog geführt. Letztes Jahr am 18. November im Buß- und Bettags-Gottesdienst habe ich mein Herz in die Hand genommen und bin damit vor versammelter Gemeinde aus dem Wandschrank geklettert. Die Tonaufnahme davon habe ich damals auf SoundCloud hochgeladen. Es wird höchste Zeit, dass ich sie hier auch teile:

Fürchte dich nicht

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Am vergangenen Montag griff ein vermutlich Minderjähriger in der Nähe von Würzburg Mitreisende in einem Regionalzug und später eine Passantin an und verletzte fünf Personen, vier davon schwer. Der Angreifer wurde von der Polizei in Notwehr erschossen. Nur vier Tage später, am Freitag, eröffnete ein 18-jähriger in einem Münchner Einkaufszentrum das Feuer, traf dreizehn Menschen, neun davon tödlich, und erschoss sich schließlich selbst.

Ich schreibe heute nicht für die mittelbar oder unmittelbar Betroffenen dieser Taten, nicht für die Opfer und deren Angehörige, nicht für die Augenzeugen oder Helfer. Ich bin weder selbst betroffen, noch kenne ich mich in Notfallseelsorge aus, und ich maße mir nicht an, auch nur annähernd beurteilen zu können, was in den Betroffenen selbst vorgeht. Ich will auch nicht über mögliche Motive und sich daraus ergebende Präventionsmaßnahmen spekulieren. Ich schreibe für den Rest von uns.

Zu oft habe ich in den letzten Wochen die Tagesschau-Eilmeldung zu einem ähnlichen Angriff auf meinem Handy gesehen und dann auf weitere Informationen gewartet. Und je näher die Tatorte waren (von Orlando einmal abgesehen), desto mehr schockieren mich die Taten. Vielleicht sollte es nicht so sein. Ein Menschenleben ist in München nicht mehr wert als in Nizza oder in Ankara oder in Bagdad. Aber räumliche Nähe bedeutet nun mal auch emotionale Nähe, so sind wir Menschen nun mal gestrickt, und mit der räumlichen Nähe kommt auch die Furcht. Ich war noch nie in Nizza oder Ankara oder Bagdad, aber im Zug in der nähe von Würzburg war ich schon oft unterwegs, und auch München habe ich schon häufig besucht. Es hätte zumindest theoretisch auch mich treffen können.

Furcht braucht keine rationale Grundlage. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland laut polizeilicher Kriminalstatistik 589 Menschen Opfer von Mord oder Totschlag. Im gleichen Zeitraum starben 3.475 Menschen im Straßenverkehr und vermutlich über 50.000 Menschen an einem Herzinfarkt. Ich denke, ich könnte mein Risiko, bei einem Anschlag oder Amoklauf ums Leben zu kommen, schon mit ein wenig mehr Bewegung und besserer Ernährung mehr als kompensieren. Und die Autofahrt nach München ist mit Sicherheit gefährlicher als der Aufenthalt in einem Einkaufszentrum dort oder die gleiche Strecke im Zug.

Furcht ist auch ein schlechter Ratgeber. Sie verdrängt rationale Erwägungen und führt allzu leicht in Panik. Sie ist Nährboden für Extremismus, Hass und Gewalt und macht damit viel mehr Menschen zu Opfern als die Taten, vor denen wir uns fürchten. Die Gefahr, in Deutschland einem Anschlag zum Opfer zu fallen, mag real sein, sie ist aber sehr gering. Sie kann uns blind machen für viele andere, viel größere Gefahren und damit großen Schaden anrichten. Sie kann uns aber auch die Augen dafür öffnen, dass Leben immer bedroht ist.

Ich lebe glücklicherweise in einem Land, in dem die meisten Menschen ein hohes Alter erreichen. Das ist sehr schön, das kann uns aber auch in einer trügerische Sicherheit wiegen. Ein dummer Zufall kann dazu führen, dass ein Mensch dieses hohe Alter nicht erreicht. Einmal zum falschen Zeit am falschen Ort zu sein, genügt schon. Mose betet im Psalm 90:

Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.

Ich habe vielleicht Angst vor dem Sterben, aber eigentlich keine Angst vor dem Tod. Aber von der Klugheit, die aus dem Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit erwächst, könnte ich durchaus noch etwas mehr gebrauchen. Die Amokläufe dieser Woche hätten jeden treffen können. Sie sind aber nur ein ganz kleines Beispiel für die Gefahren, die menschliches Leben bedrohen. Sie können uns auf diese Gefahren hinweisen, sie können Anlass sein, sich einmal wieder der eigenen Sterblichkeit bewusst zu werden.

Die Antwort darauf lautet nicht Furcht, die Antwort darauf lautet Klugheit, und zwar die Klugheit, die uns hilft, unser Leben richtig auszurichten, unsere Prioritäten richtig zu setzen. Wenn wir das Glück haben, von solchen Taten nur in den Nachrichten zu hören, sind sie eine gute Gelegenheit zu überlegen, was im Leben wirklich zählt. Und wenn wir uns gegen die Furcht entscheiden, können sie uns sogar den Mut geben, entsprechende Entscheidungen zu treffen, um in unserem Leben wirklich etwas zum Besseren zu verändern.

Was wir dabei aber keinesfalls vergessen dürfen, sind die Opfer dieser Verbrechen. Die Selbstreflexion darf uns keinesfalls davon abhalten zu helfen, wo Hilfe bitter nötig ist. Und wenn wir keine Gelegenheit zur praktischen Hilfe haben: Beten kann jeder.

Schlechte Angewohnheit

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Auch diese Woche soll es noch einmal um die Jahreslosung gehen, um den tröstenden Gott und meine Erfahrungen damit. In den letzten beiden Wochen ging es vor allem darum, wie und warum mir dieser Trost lange Zeit gefehlt hat, und wie ich ihn wiedergefunden habe. Ja, ich habe ihn wiedergefunden. Ich erlebe, wie ich in der Nähe Gottes Ruhe finden und auftanken kann. Aber ich erlebe das eigentlich noch zu selten, und daran ist eine schlechte Angewohnheit schuld.

Ich habe mit der Nähe Gottes schlechte Erfahrungen gemacht. Bei Gott habe ich abgewertet und abgelehnt gefühlt, seine Nähe hat meine Schuldgefühle verstärkt, und das Gespräch mit Gott endete nicht selten in Streit und Frust. Über einen erheblichen Teil meines Glaubensweges war die Nähe Gottes häufig Auslöser negativer, leidvoller Gefühle.

Ich will damit keineswegs sagen, dass Gott diese Gefühle in mir hervorgerufen hat. Und ich bin fest überzeugt, dass er unter dieser Situation noch viel mehr gelitten hat als ich. Jesus ist für mich ans Kreuz gegangen. Er hat die Trennung von seinem Vater erlitten, nicht zuletzt damit er nachfühlen kann, was mich von ihm trennt. Es war ihm nie zu schwer, mein Leid mit auszuhalten. Dafür werde ich ihm immer dankbar sein.

Dieser Gedanke war für mich der Anfang des Trostes. Es hat meine dunkelsten Zeiten nicht heller gemacht, aber es war tröstlich, in dieser Dunkelheit zumindest nicht allein zu sein. Aber es hat auch nichts daran geändert, dass auch diese Begegnungen mit Gott mit leidvollen Gefühlen verbunden war.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, und das gilt um so mehr, wenn es um Gefühle geht. Und wir versuchen instinktiv die Situationen zu vermeiden, die in der Vergangenheit mit unangenehmen Gefühlen verbunden waren. Das ist erst mal ein guter und richtiger Schutzmechanismus, den ein liebender Schöpfer in uns hineingelegt hat, aber in manchen Fällen, wenn sich die Randbedingungen geändert haben, steht uns dieser Schutzmechanismus auch im Weg.

So geht es mir zurzeit mit der Nähe Gottes. Ich genieße es sehr, wenn ich sie finde, sie bereichert mein Leben und hilft mir sehr. Aber ich habe immer noch diese Scheu, sie zu suchen, diese Angst, wieder abgelehnt und verletzt zu werden, diesen Schutzreflex gegen negative Gefühle. Und so unberechtigt und grundfalsch diese Abwehrhaltung auch sein mag, im Grunde kann ich recht wenig aktiv dagegen tun. Ich kann nunmal nicht aus meiner Haut, und auch meine Erfahrungen in der Vergangenheit, die mich in diese Situation gebracht haben, kann ich nicht einfach auslöschen. Und ehrlich gesagt will ich das noch nicht mal.

Aber es gibt dafür eine biblische Antwort: Paulus schreibt an die Philipper, dass Gott beides schenkt, das Wollen und das Vollbringen, und der unbekannte Schreiber des Hebräerbrief ergänzt, dass das Herz eines Christen durch Gnade gestärkt wird. Natürlich werde ich das Meine dazu tun, Gottes Nähe zu suchen, und mit der Zeit werden die Schöpfungskräfte, die im Moment gegen mich arbeiten, ganz von selbst wieder für mich arbeiten. Und in der Zwischenzeit werde ich nicht den Fehler machen, wieder in christlichen Leistungsdruck zu verfallen, sondern ich vertraue auf das, was ich schon oft erlebt habe, nämlich dass Gott auf jeden Fall stark genug ist, um meine Schwachheit auszugleichen.

 

Catch-22

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Vor ein paar Monaten habe ich schon mal einen Einblick in meine dunkelsten Zeiten gegeben. Gott verlangte anscheinend von mir, auf eine echte Beziehung zu einem Mann kategorisch und für alle Zeiten zu verzichten. Für mich ergab das (zurecht) nicht den geringsten Sinn, und ich sah mich außerstande, diesen Gehorsamsschritt zu tun. Ein Dilemma, das mich in tiefe Verzweiflung geführt hat.

In dieser Zeit besorgte mir ein Freund einen Termin bei einer erfahrenen Seelsorgerin. Ich tat mich damals noch schwerer als heute, über meine Gefühle, über meine Verzweiflung zu reden. Ich tat mein Bestes und erklärte Ihr meine Situation, dass Gott von mir einen Schritt verlangte, den zu gehen über meine Kräfte ging. Frau Erfahrene Seelsorgerin™ erklärte mir, dass sie mir nicht helfen könne, wenn ich nicht zu unbedingtem Gehorsam bereit wäre, und schickte mich weg.

Dieses Gespräch hat dazu beigetragen, zwei Überzeugungen bei mir zu festigen:

  • Trost und Hilfe gibt es bei Gott nur gegen Vorleistung.
  • An meiner trostlosen Situation bin ich selbst schuld.

Diese beiden Überzeugungen haben meine Beziehung zu Gott in den Jahren darauf nachhaltig beeinflusst, und zwar ziemlich zerstörerisch beeinflusst. In der Nähe Gottes erwarteten mich Schuldgefühle und psychischer Druck. Es ist schon ein kleines Wunder, dass ich in dieser Zeit überhaupt noch zuweilen die Nähe Gottes gesucht habe.

Erst Jahre später habe ich allmählich gelernt, auch zu klagen und mit Gott zu streiten, so wie es die Bibel ja an verschiedenen Stellen vorexerziert. Ich habe gelernt, meine Gefühle als das wahrzunehmen, was sie sind, nämlich meine wahren Gefühle. Ich habe gelernt, sehr langsam gelernt, dass Gott dem Menschen begegnen will, der ich tatsächlich bin, und nicht einer bereinigten, beschönigten Version von mir, und dass in einer solchen Begegnung viel Trost liegen kann.

Es war kein Trost, der aus schnellen Lösungen bestand. Es war ein Trost, der damit begann, die Verzweiflung aushalten zu können und aus Gottes Hand nehmen zu können, was mein Leben zerstört. Und der mir dann ganz langsam die Perspektive eröffnete, dass Not und Verzweiflung vielleicht doch nicht Gottes Plan für mein Leben seien – ein langer und schwieriger Weg, der noch lange nicht zu Ende ist. Aber entlang dieses Weges habe ich viel gelernt. Als Christ meint ja man immer, man müsse auf dem Weg des Glaubens schon viel weiter sein. Aber Trost und Hilfe gibt es nicht für Wunschdenken, nicht für die Wegkreuzung, an der ich gern wäre, sondern nur für die Wegkreuzung, an der ich mich tatsächlich befinde, ob es mir nun passt oder nicht.

Wenn wir das nicht beachten, landen wir allzu leicht in einer Situation, die nach einem Roman von Joseph Heller als Catch-22 bezeichnet wird. Hellers Protagonist möchte sich für geisteskrank erklären lassen. Im Roman kann aber nur jemand als geisteskrank erklärt werden, der darum bittet. Und wer das tut, beweist aber gleichzeitig so viel Urteilskraft bezüglich der eigenen geistigen Gesundheit, dass er unmöglich geisteskrank sein kann.

Die Seelsorgerin seinerzeit zeigte mir ein geistliches Catch-22: Um Gott gehorsam zu sein, brauchte ich damals ganz offensichtlich Hilfe. Die Voraussetzung dafür, diese Hilfe bekommen zu können, war aber, Gott gehorsam zu sein. Sie machte Gottes Hilfe von Voraussetzungen abhängig, die damals ganz offensichtlich jenseits meiner menschlichen Möglichkeiten lagen. Trost gibt es nur für die, die ihn gar nicht so dringend brauchen.

Dabei sagt Jesus etwas ganz anderes: Nicht die Gesunden brauchen einen Arzt, sondern die Kranken, und Paulus ergänzt, dass Gott in uns beides bewirkt, das Wollen und das Vollbringen. Als Christen müssen wir den Weg der Heiligung beschreiten. Aber Gott erwartet uns nicht am Ende dieses Weges, sonder am Anfang, wirklich ganz am Anfang, weil er ihn mit uns gemeinsam gehen will, weil wir ohne seine Hilfe nicht einen Schritt tun können.

Wir sind immer noch bei der Jahreslosung aus Jesaja 66, Vers 13, und auch nächste Woche soll es noch mal um dieses Thema gehen. Aber bis dahin: Die Liebe einer Mutter ist bedingungslos, und Liebesentzug gehört nicht zu Gottes Erziehungsmethoden. Catch-22 existiert nur in der beschränkten Welt engherziger Christen, die meinen, Zugangsvoraussetzungen zur Gnade Gottes aufrichten zu müssen, und damit dem tröstenden Gott eigentlich ein ganz schlechtes Zeugnis ausstellen. Denn egal wie dunkel und voll von Not, Verzweiflung und Sünde unser Leben auch sein mag: Gottes Trost kann uns immer und überall erreichen.

Trostlos

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„Wie hältst du’s mit der Religion?“ fragt Gretchen. Faust antwortet ausweichend, und das, obwohl er viel mehr über die Realität der transzendenten Welt weiß als sie. Es geht Gretchen nicht um Wissen, es geht ihr um die persönliche Haltung gegenüber Gott. Und die ist bei Faust längst entschieden, immerhin hat er einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Ich bin ein großer Fan von Wissen, aber Gretchen hat recht: Unsere persönliche Haltung gegenüber Gott sagt mehr über unseren Glauben als unser Wissen.

Unsere Haltung bestimmt, wie wir Gott erleben, welchen Raum er in unserem Leben einnimmt, welche Bedeutung die Beziehung mit ihm für uns hat. Und vor allem: Ob diese Beziehung zwischen Gott und mir wirklich eine Liebesbeziehung ist. Die aktuelle Jahreslosung zeigt nicht nur die Größe der Liebe Gottes zu uns, sie liefert uns auch einen Gradmesser für diese Liebesbeziehung:

Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.

Und die Gretchenfrage dazu lautet: Findest Du Trost bei Gott?

Über weite Strecken meines Glaubenslebens hätte ich auf diese Frage ebenfalls sehr ausweichend geantwortet, denn die wahre Antwort, die ich aber nicht bereit war zu geben, hätte „Nein“ gelautet. Und ich weiß aus vielen Gesprächen, dass es anderen Christen ähnlich geht. Trost ist kein theologisches Konzept. Trost ist nur real, wenn er als solcher erlebt wird. Und damit ist er ein guter Gradmesser dafür, wie sich die Liebe Gottes wirklich in meinem Leben auswirkt.

Unsere Haltung dazu ist vor allem eine Frage der Priorität. Wie wichtig ist es uns, diese Trost erleben zu können? Und das meine ich nicht im Gegensatz zu verschiedenen „weltlichen Verlockungen“, sonder im Bezug auf andere geistliche Werte, vor allem auf das, was gerne leichtfertig als biblische Wahrheit bezeichnet wird.

Diese biblische Wahrheit verlangte anscheinend von mir als schwulem Christen, auf eine Beziehung zu verzichten. Viele Menschen bleiben unfreiwillig alleinstehend, aber diese Situation ist eine andere: Es geht nicht um unerfüllte Hoffnung, es geht um verbotene Hoffnung. Es geht darum, dass die Hoffnung selbst zur Sünde erklärt wird. Diese Situation ist zutiefst trostlos, und sie hat mich auch tatsächlich von dem Trost Gottes, wie er in der diesjährigen Jahreslosung beschrieben wird, getrennt.

Dabei muss ich ehrlich zugeben: Diese Situation war nicht alternativlos. Ich hatte Kontakt zu Menschen, zu Christen, die sich anders entschieden haben, die bewusst diese angebliche biblische Wahrheit zur Seite geschoben haben, weil sie spürten, dass diese Position zerstörerisch für ihre Beziehung zu Gott ist. Meine Reaktion auf diese Menschen war, auf Abstand zu gehen, teils aus Angst, noch mehr verwirrt und verletzt zu werden, teils aus Neid, weil sie anscheinend das dürfen, was mir verboten war. Aber vor allem, weil ich mich entschieden habe, der Wahrheit zu folgen, egal wie sehr ich darunter leide, wie sehr meine Beziehung zu Gott darunter leidet. Im Rückblick muss ich sagen: Diese Entscheidung war falsch.

Natürlich kann es keine biblische Wahrheit geben, die einen Menschen von Gott weg treibt. Heute weiß ich die Schwächen und Unwahrheiten dieser angeblichen biblischen Wahrheit zu entlarven. Damals hatte ich diese Möglichkeit nicht. Mit den Mitteln, die ich damals zur Verfügung hatte, war dieser Widerspruch für mich unauflöslich. Das gilt für viele theologisch-praktische Fragen bis heute. Unser begrenztes Wissen, unsere begrenzte Erkenntnisfähigkeit führt uns nicht selten in einen scheinbaren, aber dennoch nicht auflösbaren Widerspruch zwischen Bibel und Menschenfreundlichkeit, zwischen göttlicher Wahrheit und göttlicher Liebe.

Wenn wir in solchen Situationen pauschal der Wahrheit den Vorzug geben, sind wir – im wahrsten Sinne des Wortes – nicht mehr bei Trost. Für Faust hat die Suche nach Wahrheit, nach Erkenntnis oberste Priorität. In seiner verzweifelten Suche danach verkauft er jede Hoffnung auf Freude, auf Trost an den Teufel. Wir müssen unsere Prioritäten unbedingt anders setzen, und unsere oberste Priorität muss die möglichst ungestörte Verbindung, die möglichst ungestörte Liebesbeziehung zu Gott sein.

Das Jahr 2016 ist zur Hälfte vorbei. Ein guter Anlass, sich in den nächsten Wochen noch etwas mehr mit der Jahreslosung auseinanderzusetzen. Und mit der Gretchenfrage: Wie hältst du’s mit der Religion? Wie hältst du’s mit der Beziehung zu Gott? Wie hältst du’s mit dem Trost?