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Monatsarchiv: März 2017

Ermutigung

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Es ist vielleicht unvermeidlich, dass ich als schwuler Christ gelegentlich in eine Verteidigungshaltung gerate. In letzter Zeit habe ich mich jedoch viel zu oft in dieser Haltung wiedergefunden, häufig unnötigerweise, manchmal sogar ohne jeden Anlass. Gründe dafür gibt es viele, aber ich weiß längst: Es tut mir nicht gut.

Auch die Zeichen, die Gott mir schickt, weisen in eine andere Richtung. In den letzten Wochen bin ich gleich auf mehrere Mut machende und befreiende Bibelstellen gestoßen, die mich sehr berührt haben. „Wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“, schreibt Paulus. Trotzdem halte ich oft an der Enge meiner Verteidigungshaltung fest, weil sie sich sicher anfühlt, weil sie mir das (sehr wahrscheinlich trügerische) Gefühl gibt, alles unter Kontrolle zu haben. Und meine Seele verwechselt die Weite, in die Gott mich führen will, mit Halt- und Schutzlosigkeit.

Ich möchte dem nicht nachgeben. Ich möchte nicht an etwas festhalten, was doch keinen Halt gibt und mir nur schadet, ich möchte vielmehr die Ermutigung festhalten, die Gott mir bereits gegeben hat. Deshalb gibt es hier in den nächsten Wochen eine kleine Serie über Bibelstellen, die mir den Weg in diese Freiheit zeigen und mir Mut machen.

An eine dieser Bibelstellen hat mich Gott erinnert, als ich vor kurzem eine schwierige E-Mail schreiben musste. Sie steht in Jesaja 43, Vers 18 und 19:

Gedenkt nicht an das Frühere und achtet nicht auf das Vorige! Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht? Ich mache einen Weg in der Wüste und Wasserströme in der Einöde.

Eine Bibelstelle, die für mich in besonders eindrücklicher Weise die Situation der schwulen, lesbischen, bisexuellen, transgeschlechtlichen und sonst irgendwie queeren Christen beschreibt. Nach vielen Jahrhunderten der Diskriminierung, Ausgrenzung und Verfolgung erkennen mehr und mehr Christen, Gemeinden und Verbände, dass Gott neue Wege geht mit seinen nicht-cis-hetero-Nachfolgern, und gehen diese Wege mit. Sie erleben, dass Gott hier neues Leben aufwachsen lässt, und freuen sich mit uns.

Schade nur, dass ausgerechnet eine der lebensfeindlichsten Organisationen in diesem Bereich sich den Namen Wuestenstrom gegeben hat. Sie und viele andere erkennen noch nicht, welches Wachstum Gott hier wirklich schenkt, manche bekämpfen es sogar. Trotzdem gibt es mehr als genug Gründe, dankbar zu sein für das, was Gott schon getan hat, und gespannt zu sein auf das, was er noch tun wird.

Das Bibelwort hat auch eine persönliche Seite für mich. Die Vergangenheit liegt hinter mir und wird auch nicht zurück kommen. Es wird mir nicht helfen, über das, was war oder was hätte gewesen sein können, nachzugrübeln. Gott erinnert mich mit seinem Wort daran, dass es viel besser ist, nach dem zu suchen, dass er noch geben will, und nicht nach dem, das ich vielleicht verpasst habe. Die Veränderungen in meinem Leben sind von Gott geschenkt und brauchen nicht ängstlich von mir verteidigt zu werden. Statt dessen sollte ich nach dem Leben Ausschau halten, das Gott jetzt bei mir wachsen lässt, nach den Wegen, die er jetzt ebnet und nach dem Wasser, mit dem er jetzt meinen Durst löschen will.

Jubiläum

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Am 6. März 2016 habe in diesem Blog den ersten Eintrag veröffentlicht. Herz im Wandschrank feiert sein Einjähriges. Ich habe mir damals vorgenommen, jede Woche einen Beitrag zu schreiben. Im Moment, also während ich diesen Beitrag schreibe, zeigt mir WordPress an, dass ich 50 veröffentlichte Einträge habe. Ich habe meinen Vorsatz also immerhin fast eingehalten.

Wöchentlich zu schreiben, war für mich eine Herausforderung, die ich mir bewusst gestellt habe, um dran zu bleiben. Die Schreiberei geht mir nicht leicht von der Hand, und der wöchentliche Termin hat mir geholfen, meine zahlreichen Ideen auch in fertige Texte umzusetzen. Allerdings hat mir auch schon der eine oder andere Leser gesagt, dass er bei meiner Produktionsrate mit dem Lesen nicht hinterher käme. Das passt mir ganz gut in den Kram, denn auch mir wird der bisherige Rhythmus ein wenig zu stressig. Über viele wichtige Themen habe ich bereits geschrieben. Auch wenn mir die Ideen nicht ausgehen, so werden sie doch nach 50 Einträgen etwas rarer und häufig auch schwieriger umzusetzen. Außerdem wird mir etwas mehr Zeit für andere Aufgaben gut tun. Der Sonntag bleibt der Tag für neue Einträge, es wird aber eher jeder zweiter Sonntag sein.

Der Auslöser, diesen Blog anzufangen, war ein Gesprächsabend zum Thema Homosexualität in der Gemeinde. Ich konnte bei dieser Gelegenheit ein ca. halbstündiges Referat halten. Ich bin heute noch dankbar für diese Gelegenheit, meine Positionen zu vertreten, weil ich weiß, dass dies nicht selbstverständlich ist. Aber es war mir damals schon klar (und hat sich bis heute so bestätigt), dass dies für lange Zeit meine einzige Gelegenheit sein wird, in der Gemeinde öffentlich über das Thema zu reden. Und schon beim Vorbereiten war klar, dass eine halbe Stunde keinesfalls genügt, meine Überzeugungen in angemessener Weise darzustellen und zu begründen.

Der Blog ist dann zu meiner Stimme geworden, zu dem Ort, an dem ich öffentlich und in der nötigen Ausführlichkeit schreiben kann, was mir wichtig ist. Und das Niederschreiben der eigenen Gedanken hilft natürlich auch dabei, diese zu sortieren und zu Ende zu denken. Der Blog hat mir geholfen, meine Überzeugungen zu festigen und mit konkreten, nachprüfbaren Argumenten zu untermauern. Und er stellt für mich ein Archiv dar, aus dem ich zu zahlreichen Einzelthemen einen fertig formulierten Text ziehen kann, frei nach Jean Pütz: Ich hab da schon mal was vorbereitet. In manchen Gesprächen konnte ich dieses Archiv schon nutzen, in anderen habe ich Lücken darin entdeckt, die wiederum Themen für neue Einträge geliefert haben.

Natürlich schreibe ich nicht nur für mich selbst. Die WordPress-Statistik weist gerade eine Gesamtsumme von 1078 Seitenaufrufen aus. Das ist eine ganze Menge, aber ich denke, damit bin ich eine der kleineren Stimmen im Chor. Ich habe nicht die Beharrlichkeit und theologische Brillanz von Valeria Hinck, nicht die umfassende Fachkunde der Macher von kreuz & queer und nicht die Netzwerker-Fähigkeiten, mit denen Patrick horeb.world aufbaut. Aber ich versuche, mit meiner Stimme, mit meinem persönlichen Stil zur gemeinsamen Sache beizutragen, und ich glaube, dass es gut und wichtig ist, dass ich das tue. Und ich werde es weiterhin tun. Deshalb auch weiterhin vielen Dank fürs Lesen, fürs Kommentieren und fürs Teilen.