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Schlagwort-Archive: Paulus

Keine Gefangenen

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Der frühere Salzburger Weihbischof Laun warnt laut Queer.de vor dem „Gefängnis der LGBT-Ideologie“. Ich denke, so eine Äußerung sagt mehr über ihn aus als über die sogenannte LGBT-Ideologie.

Ich habe beim Stichwort Gefängnis ein Bild vor Augen, dass vermutlich mehr durch ältere Spielfilme als durch die Realität geprägt ist: Lange Reihen von vergitterten Zellen. So ein klassisches Gefängnisgitter aus Längs- und Querstäben sieht ja eigentlich von beiden Seiten ziemlich ähnlich aus. Wenn man nur das Gitter selbst sieht, ist es gar nicht leicht zu erkennen, auf welcher Seite man sich befindet, und doch ist genau das beim Gefängnis die entscheidende Frage. Eine Frage, die sich leicht beantworten lässt, sobald man sich vom Gitter abwendet: Auf der einen Seite versperren Wände den Weg, auf der anderen Seite wartet die Freiheit.

Auch die Bibel spielt immer wieder mit dem Bild des Gefängnisses und der Gefangenen. In Psalm 68, Vers 19 wird Gott als siegreicher Feldherr dargestellt, der Kriegsgefangene mit sich führt und Tributzahlungen einsammelt. Paulus zitiert diese Stelle in Epheser 4, 8 wie gewohnt recht frei und gibt ihr eine ganz neue Bedeutung: Jesus ist in das Totenreich hinabgestiegen und hat die Gefangenen des Todes befreit. Auch sammelt er bei Paulus keine Gaben ein, sondern verteilt sie. Um es mit modernen Begriffen zu sagen: Aus der Geiselnahme in Psalm 68 wird bei Paulus eine Geiselbefreiung. Die Gefangenen wechseln zunächst nur von einer Gewalt in die andere, nämlich von der Gewalt des Geiselnehmers in die Gewalt des Geiselbefreiers. Aber die Gefangenschaft durch Jesus führt fort vom Gefängnis mit seinen Zellen und Gittern, führt in die Freiheit, denn wir sind, wie derselbe Paulus an die Galater schreibt, zur Freiheit berufen.

Wer am Gitter stehen bleibt, wird diese Freiheit nie erleben. Schlimmer noch: Er wird die Orientierung verlieren und irgendwann nicht mehr begreifen, auf welcher Seite des Gitters er steht. Denn in einem Punkt hat Bischof Laun recht: Ideologie ist ein Gefängnis, denn Ideologie lebt immer von Abgrenzung, sie wendet sich ab von der Freiheit und schaut nur noch auf das Trennende, auf das Gitter.

Was die sogenannte LGBT-Ideologie betrifft: Ich habe beide Seiten des Gitters erlebt und habe auf beiden Seiten des Gitters meine Freiheit gesucht. Ich war auf derselben Seite wie Bischof Laun. Dort bin ich nur gegen Wände gelaufen und habe mir manch blutige Nase geholt. Mittlerweile bin ich auf der anderen Seite gelandet und erlebe Freiheit und Weite. Unzählige Christen und Nichtchristen haben genau die gleichen Erfahrungen gemacht. Es gibt keinen Zweifel, auf welcher Seite die Gefängniszelle und auf welcher Seite die Freiheit ist.

Ideologie will so etwas aber gar nicht herausfinden. Sie „weiß“, dass ihre Seite die richtige ist, nicht weil sie es so erlebt hat, sondern weil sie es so definiert. Dabei schaut sie nur auf das Trennende, auf das Gitter, und hat so keine Chance, die Wahrheit herauszufinden. Laun kann den Blick nicht vom „Gefängnis der LGBT-Ideologie“ abwenden und begreift nicht, dass er sich selbst in der Gefängniszelle befindet und nicht davor. Ob er es noch irgendwann herausfindet? Man darf die Hoffnung nie aufgeben.

Und für den Rest von uns: Das Ausloten der Freiheit, die Christus uns schenkt, ist ein wichtiger, lebenslanger Lernprozess, der manche Überraschung bereit hält. Und wenn wir dabei ständig gegen Wände laufen, ist das vielleicht ein Zeichen dafür, dass wir uns noch auf der falschen Seite der Gitterstäbe befinden, und dass wir Jesus als ein-Mann-Kommmandounternehmen brauchen, der uns in einer spektakulären Geiselbefreiung aus unserem Gefängnis entführt.

Unterordnung

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Letzte Woche habe ich mich mit der Frage beschäftigt, ob die Bibel eine feste Rangfolge von Mann und Frau in der Ehe vorsieht. Ich möchte das heute anhand einer konkreten Bibelstelle vertiefen. Es geht natürlich um den Epheserbrief, Kapitel 5, ab Vers 21, ein Abschnitt, der in alten Lutherbibeln die Überschrift Die christliche Haustafel trägt.

Das Schreiben ist an die Gemeinde an Ephesus gerichtet, eine bedeutende Hafenstadt in Kleinasien. Die meisten Theologen sehen in dem Brief eine Art Rundschreiben an die Gemeinden der Region. Bei der Auslegung spielt das hier nur eine geringe Rolle; bezüglich der verschiedenen Probleme in der Ehe dürfte es zwischen den angesprochenen Gemeinden nur wenige Unterschiede geben. Paulus gibt hier konkrete Hilfestellungen, wie das Zusammenleben in der Familie unter Christen funktionieren kann.

Er schreibt an Menschen, die noch recht neu im Glauben an Jesus Christus leben. Christen der zweiten oder dritten Generation gab es noch nicht. In der Offenbarung wird den Christen in Ephesus vorgeworfen, die erste Liebe zu Jesus verlassen zu haben. Man kann vermutlich davon ausgehen, dass diese erste Liebe zur Zeitpunkt der Abfassung des Epheserbriefes noch frisch war. Paulus empfiehlt den Ephesern, diese Liebe unmittelbar auf ihre wichtigsten zwischenmenschlichen Beziehungen zu übertragen. Liebe deinen Mann, wie Jesus dich liebt. Liebe deine Frau, wie du von Jesus geliebt wirst. Die Wirkung seiner Worte muss unter diesen Bedingungen unmittelbar und großartig gewesen sein.

Diese unmittelbare Wirkung ist für uns verloren gegangen, und zwar in erster Linie durch den Jahrhunderte langen Missbrauch dieser Bibelstelle zur Unterdrückung von Frauen. Männer in Machtpositionen haben immer wieder die hohen Anforderungen an das Verhalten der Männer ignoriert, die in Paulus‘ Worten enthalten sind, und die Anweisungen an die Frauen verwendet, um ihre Vormachtstellung zu zementieren. Generationen von Christen haben aus einer Motivation zur gegenseitigen Hingabe ein Dokument der Unterdrückung gemacht.

Das heißt nicht, dass diese Stelle uns heute nichts mehr zu sagen hätte, aber wir müssen uns schon deutlich mehr anstrengen, um diesen Schatz zu heben. Dankenswerterweise liefert Paulus den Schlüssel zur Auslegung seiner Worte gleich reichlich mit. Er beginnt seine Ausführungen mit den Worten:

Ordnet euch einander unter in der Furcht Christi.

Euch einander. Jeder unter jeden. Es sollte eigentlich seit der Fußwaschung klar sein, dass das Zusammenleben unter Christen nicht im Sinne Jesu funktioniert, wenn Unterordnung nicht von allen gelebt wird. Das gilt natürlich genauso für die Ehemänner gegenüber ihren Frauen. Dass diese Unterordnung für die Frauen deutlich anders dargestellt wird als für die Männer, ist zum Teil dem Eheverständnis der Zeit zuzurechnen. Dass Paulus in diesem Zusammenhang die herrschenden Verhältnisse als gegeben hinnimmt und nicht hinterfragt, wird mehr als deutlich, wenn man mal ins nächste Kapitel schaut. Dort gibt es nämlich Handlungsanweisungen für Sklaven und ihre Herren. Wer Epheser 5 als Begründung für die Vorherrschaft des Mannes ansieht, muss in Epheser 6 mit gleicher Logik auch die Rechtfertigung von Sklaverei sehen.

Die Unterschiede haben allerdings auch sachliche Gründe. Frauen und Männer sind nun einmal unterschiedlich. Frauen achten im Allgemeinen mehr auf ihr Äußeres als Männer und freuen sich häufig besonders über Wertschätzung in diesem Bereich, wohingegen Männer lieber für ihre Erfolge, für das, was sie erreicht haben, gelobt werden wollen. Und wenn es mal schlechter läuft in der Beziehung, neigen Männer eher dazu, ihre Frauen zu vernachlässigen. Frauen versuchen dagegen häufiger, ihre Männer entsprechend zu ändern. Wer sich die Mühe macht, genau hinzusehen, wird diese Unterschiede in Paulus‘ Worten wiederfinden.

Die direkte Umsetzung geht natürlich nur dann gut, wenn der jeweilige Mann und die jeweilige Frau sich in dieser Beschreibung wiederfindet. Das war damals für fast alle Paare der Fall und trifft auch heute noch auf viele zu. Die Anwendung des Textes jenseits der Geschlechterklischees bereitet aber keine große Mühe: Erfülle die wahren (nicht die vermuteten) Bedürfnisse des Partners und kämpfe aktiv gegen die eigenen Schwächen an. Das gilt für alle Paare unabhängig von ihrer jeweiligen Rollenfindung in der Ehe und natürlich auch unabhängig von geschlechtlicher Identität und sexueller Orientierung. Gleichgeschlechtliche Paare haben den Nachteil, weniger auf vorgegebene Rollenmodelle zurückgreifen zu können. Dafür haben gleichgeschlechtliche Paare den Vorteil, weniger auf vorgegebene Rollenmodelle hereinfallen zu können.

Paulus bildet sich übrigens nicht ein, die Ehe vollständig verstanden zu haben. Wie er in Vers 32 klar macht, bleibt sie ein tiefes Geheimnis. Seine Auslegung ist nur eine, eben seine Annäherung an das Thema. Sie ist sehr hilfreich, wenn man sie in diesem Sinne als Annäherung, als eine mögliche Beschreibung sieht. Sie wird schädlich, ja erdrückend, wenn man sie als die eine, wahre, vollständige Beschreibung der Ehe sieht.

Ich denke, Paulus war sich der Problematik bewusst, als Unverheirateter über die Ehe zu schreiben. Die Welt ist voller Ratschläge von nicht Betroffenen. Unverheiratete, die besser als Eheleute wissen wollen, wie Ehe geht. Heteros, die Schwule und Lesben über das Wesen der Homosexualität belehren. Kinderlose, die Eltern erklären, wie sie ihre Kinder richtig erziehen. Manchmal hat man als Außenstehender einen klareren Blick als die Betroffenen. Deshalb ist es sicher nicht verkehrt, auch auf den Rat dieser Außenstehenden zu hören. Was man von außen aber nie hat, ist das vollständige Bild. Besserwisserei ist von vornherein unangebracht und nie hilfreich. Paulus schreibt als Unverheirateter über die Ehe und verzichtet dabei auf Besserwisserei. Wir sollten darauf verzichten, sie hineinzuinterpretieren. Die Weisheit seiner Worte ist leider durch Jahrhunderte währenden Missbrauch verschüttet worden. Man muss ein wenig graben, um sie zu finden, aber es lohnt sich.