ProChrist in Nürnberg! Das war 1997, und ich, damals Student an der Uni Erlangen, war begeistert.
Man kann ja von ProChrist an sich und vom damaligen Hauptredner Ulrich Parzany durchaus geteilter Meinung sein. Dabei darf man aber aus heutiger Sicht nicht vergessen, wie wichtig es damals war, dem sehr eingestaubten Konzept Evangelisation etwas neuen Wind einzuhauchen. Die Professionalität der Veranstaltung und die Satelliten-Übertragung an hunderte Veranstaltungsorte waren damals wegweisend. Für mich war es endlich eine Veranstaltung, in die man seine nichtchristlichen Freunde einladen konnte, ohne sich fremdschämen zu müssen.
Wie habe ich mich gefreut, die Zentralveranstaltung direkt besuchen zu können! Dennoch war es für mich dann ein besonders trauriges, ein besonders bitteres Erlebnis. Ich erinnere mich noch: Ich saß weit oben auf der Tribüne. Unten im Saal gingen die Leute scharenweise nach vorne, um ein Leben mit Jesus zu beginnen. Und mein Leben mit Jesus? Viel davon war nicht mehr übrig. Hier tat Gott etwas großes, und es lief wie ein Film vor mir ab. Ich war nicht mehr ein Teil von alledem.
Wenige Jahre zuvor musste ich mich der Tatsache stellen, dass ich schwul bin. Eine Tatsache, die im Rückblick immer offensichtlich war, die ich aber erstaunlich lange aus meinen Gedanken fern halten konnte. Damit begann eine längere Recherche, eine längere Suche danach, was die Bibel, was andere Christen, letztlich was Gott zu gleichgeschlechtlichen Beziehungen sagt. Es war damals nicht einfach, überhaupt an Informationen zu kommen, aber das Ergebnis, zu dem ich immer wieder zurück kam, war negativ.
Ich hatte die Wahl zwischen drei Unmöglichkeiten: Hetero zu werden, allein zu bleiben oder mich von Jesus zu trennen. Alles drei habe ich versucht. Mit der Trennung von Jesus habe ich angefangen, aber es hat nicht funktioniert. Nach allem, was ich schon mit ihm erlebt habe, konnte ich mir nicht einreden, dass er nicht existiert. Und wenn man Jesus einmal erkannt hat, dann ergibt ein Leben ohne ihn einfach nicht mehr den geringsten Sinn.
Und das war meine Situation, damals im Jahr 1997: Unlösbar gebunden an einen Gott, der aber nicht mehr der liebende, freundliche Gott war, den ich kannte. Er war für mich ein Gott der Willkür und der Grausamkeit geworden. Ich habe versucht, mich an meinen alten Erfahrungen festzuhalten, an der Unfehlbarkeit der Bibel und deren Aussagen, an der unumstößlichen Tatsache, dass Gott die Liebe ist. Ich habe versucht, zu glauben, zu lieben, weiterzumachen. Ich habe verloren.
Und an jenem Novembertag saß ich in der Halle in Nürnberg mit Begeisterung auf den Lippen, aber Tränen der Verzweiflung in den Augen. Ich saß da mit einem gebrochenen Herzen, für das es damals bei Jesus keine Heilung und keinerlei Trost gab.
Ulrich Parzany setzt sich heute mit seiner ganzen Autorität gegen gleichgeschlechtliche Beziehungen ein. Er verkündigt damit allen Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen jenen Gott der Willkür und der Trostlosigkeit, den ich damals erlebt habe. Damals noch trotz und nicht wegen seiner Predigt.
ProChrist 1997 war für mich ein Tiefpunkt, nicht mal der einzige, aber es war nicht der Endpunkt. Letztlich habe ich doch nicht aufgehört, nach dem Gott der Liebe und des Trostes zu suchen. Und ich habe ihn – auf einem langen Weg und mit manchen Rückschlägen – wiedergefunden. Nein, er hat mich wiedergefunden. Gott hat mich nie losgelassen, und dafür bin ich sehr dankbar. Aber wenn ich an ProChrist 1997 denke, fühle ich immer noch die Verzweiflung und die Trostlosigkeit. Und es fühlt sich immer noch wie ein Stich ins Herz an.