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Schlagwort-Archive: Homosexualität

Erfreuliche Statistiken

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Im Oktober und November des vergangenen Jahres wurden in einer repräsentativen Umfrage rund 2000 Personen zu ihren Einstellungen zum Thema Homosexualität befragt. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat die Ergebnisse in dieser Woche veröffentlicht. Einige dieser Ergebnisse haben mich sehr gefreut, deshalb stelle ich heute die für mich wichtigsten Punkte vor und gebe natürlich auch meinen Senf dazu.

Das Wichtigste zuerst: 82,6 % der Befragten sprachen sich für die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare aus. Das ist gegenüber den bisher bekannten Zahlen eine erhebliche Steigerung und deutlich mehr, als ich erwartet hätte. In einer Studie von 2006 lag die Zustimmungsrate noch bei 64,9 %. Die Antidiskriminierungsstelle schreibt dazu:

Damit ist die Zustimmung zur Öffnung der Ehe innerhalb der letzten zehn Jahre um rund 18 Prozentpunkte gestiegen.

Ich würde das noch ein wenig anders formulieren: Die Ablehnung zur Öffnung der Ehe hat sich innerhalb der letzten zehn Jahre halbiert!

Wenn es um das Adoptionsrecht und um Unterstützung für künstliche Befruchtung geht, sind die Zustimmungsraten erwartungsgemäß etwas geringer, liegen aber immer noch bei 75,8 % bzw. 67,4 %. Überhaupt halten bei absolut allen Fragen, unabhängig von Thema und Fragestellung, die Unterstützer gleichgeschlechtlicher Beziehungen die Mehrheit.

Ein besonders heiß diskutiertes Thema in den letzten Jahren war der Umgang mit dem Thema sexuelle Vielfalt an den Schulen. Einige Kultusministerien haben beschlossen, die Akzeptanz sexueller Vielfalt explizit als Ziel der schulischen Erziehung zu benennen und dies auch im Lehrplan zu berücksichtigen. Das hat vielfach zu sehr lautstarker Kritik geführt. Umso erfreulicher, dass sich fast 90 % der Befragten grundsätzlich hinter dieses Ziel stellen. Umstrittener ist da die Wahl der Mittel. Fast 30 % der Befragten glaubt, dass diese Inhalte die Kinder in ihrer sexuellen Entwicklung verwirren. Ist das ein klassischer Fall von „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“? Das mag zum Teil der Fall sein. Ich glaube, dass da aber noch mindestens zwei weitere Aspekte eine Rolle spielen.

Zum einen glaube ich, dass es der Mehrheit generell schwer fällt zu begreifen, wie wichtig öffentliche Sichtbarkeit für die Angehörigen einer Minderheit ist. Ich denke, diese Aspekt spielt auch bei den Umfrageergebnissen eine Rolle, die die Antidiskriminierungsstelle auf Seite 7 unter dem Begriff moderne Homophobie zusammengefasst hat. Für den cis-hetero-Mensch ist es eine Selbstverständlichkeit, dass er sich in der Alltagskultur sowohl der Gesellschaft als auch seines persönlichen Umfeldes wiederfindet. Deshalb ist es für ihn nur schwer vorstellbar, wie sich das Leben ohne diesen Wiedererkennungseffekt anfühlt, und was dies für das eigene Selbstbild und die Akzeptanz durch andere bedeutet.

Zum anderen fürchte ich, dass hier die verzerrende und oft wahrheitswidrige Darstellung der Bildungspläne durch AfD, Bildungs(plan)gegner und Konsorten ihre Wirkung entfaltet. Die Schimäre der „Frühsexualisierung“ soll bewusst Angst machen. Glücklicherweise lässt sich die Mehrheit der Bevölkerung nicht von dieser Angst anstecken.

Die Umfrage liefert auch sehr interessante Ergebnisse, was die Gefühle gegenüber homosexuellen Menschen betrifft. So ist es für rund 12 % der Befragten unangenehm, wenn ein Kollege homosexuell ist, beim eigenen Kind trifft dies auf ca. 40 % der Befragten zu. Die Antidiskriminierungsstelle schreibt dazu:

Es gibt umso mehr Berührungsängste, je näher das Thema Homosexualität rückt, insbesondere wenn es in die eigene Familie hineinreicht.

Das mag stimmen, aber es gibt meiner Meinung nach gerade im Bezug auf die eigenen Kinder noch andere Gefühle als „Berührungsängste“, die eine Rolle spielen, z. B. die (durchaus berechtigte) Sorge, dass das eigene Kind Diskriminierung erfahren könnte, oder die Frage, wie das denn jetzt mit Enkeln sei.

Grundsätzlich gilt aber über alle Fragestellungen hinweg: Wenn es um Gefühle geht, sind die Zustimmungsraten deutlich geringer, als wenn es um ethisch-moralische Fragen geht. ca. 30 % der Befragten ist es unangenehm, wenn sich zwei Männer in der Öffentlichkeit küssen, jedoch nicht, wenn sich ein Mann und eine Frau küssen. Zur Erinnerung: Der Anteil der Personen, die gleichgeschlechtliche Ehen ablehnen, ist mit 17,4 % wesentlich geringer. Fast 20 % halten Homosexualität für unnatürlich, weniger als 10 % für unmoralisch.

In der Gesamtschau zeigen die Umfrageergebnisse sehr deutlich, dass die massiv zunehmende Zustimmung zu gleichgeschlechtlichen Beziehungen in Deutschland nicht von Gefühlen getrieben ist, sondern von ethischen Erwägungen. Viele Menschen in Deutschland unterstützen die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, weil sie dies für moralisch richtig halten, obwohl ihre Gefühle etwas anderes sagen. Zu einer Zeit, in der „postfaktisch“ zum Wort des Jahres gekürt wurde, halte ich das für ein ermutigendes Zeichen.

Ich halte das auch für ein Warnsignal an die vielen christlichen Kirchen und Gemeinden, die gleichgeschlechtliche Beziehungen ablehnen. Diese sehen sich selbst ja allzuoft als Vertreter von Moral und Ethik, ihre Einstellung als Verteidigung christlicher Werte und Normen gegen relativierende Tendenzen und persönliches Empfinden. Die Mehrheit der Bevölkerung sieht das völlig gegensätzlich. Viele sehen die Öffnung der Ehe als Gebot der Ethik, das auch gegen das persönliche Empfinden durchgesetzt werden muss. Ich denke, die ablehnende Haltung viele Christen wird von den meisten Menschen nicht nur als Mangel an Mitgefühl, sondern in erster Linie als moralisches Versagen angesehen, als Kapitulation der Ethik vor Voreingenommenheit und Angst. Viele Christen beklagen, dass das Christentum zunehmen seine Bedeutung als ethischer Leitstern verliert. Hier können wir sehen, warum das so ist.

Gott, die Zuflucht

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Ich habe in einem früheren Eintrag erzählt, dass es mir schwer fällt, Gottes Nähe zu suchen. Das liegt gerade einmal zweieinhalb Monate zurück, und ich stelle beim Schreiben dieser Zeilen fest, wie viel sich seither bei mir getan hat. Ich habe erlebt, wie ich in Gottes Nähe Ruhe, Ermutigung und Stärkung erfahren durfte, gerade in schwierigen Situationen. Und ich habe mich immer wieder in Gottes Nähe wohl und geborgen gefühlt. Die Gefühle, die mich von Gott fern halten wollen, sind noch da, aber sie sind in den letzten Monaten spürbar schwächer geworden.

Eines der ersten Bücher zum Thema Homosexualität, das ich gelesen habe, verwendet das Bild eines Baches. Wird sein Bachbett durch äußere Ereignisse, zum Beispiel einen Erdrutsch, blockiert, sucht sich der Bach einen neuen Weg und bildet sich ein neues Bett. Will man den Bach zurück in sein altes Bett bringen, muss man zunächst die Blockade entfernen. Danach bedarf es nur ein wenig Hilfe, damit der Bach sein altes Bett wiederfindet und fortan wieder hier fließt.

Der Autor meinte, dass bei jedem Menschen die Heterosexualität das natürliche Bachbett sei, und dass eine sexuelle Orientierung auf das gleiche Geschlecht nur entstehen könne, wenn die „natürliche“ Entwicklung durch äußere Umstände blockiert sei. Man müsse dann nur die Blockade entfernen und ein wenig „nachhelfen“ schon würde aus dem Schwulen und der Lesbe wieder ein „gesunder Hetero“.

Wer als schwuler oder lesbischer Mensch halbwegs mit sich selbst im Reinen ist, wird diesen Unsinn sofort durch ein wenig Selbstbeobachtung als solchen identifizieren können. Heteros tun sich da schwerer, insbesondere wenn sie keine gleichgeschlechtlichen Paare in ihrem Freundeskreis haben. Ihnen fehlt die Erfahrung aus erster Hand. Gefährlich wird diese Vorstellung für Menschen, die tatsächlich solche Blockaden in ihrem Leben haben. Denn das Bild ist ja nicht prinzipiell falsch: Die natürliche Entwicklung eines jungen Menschen kann ja durch vielerlei äußere Ereignisse blockiert und in falsche Bahnen gebracht werden.

Mich hat damals das Bild mit dem Bachbett sehr angesprochen, ich habe mich darin wiedergefunden. Mittlerweile konnte ich mit Gottes Hilfe viele dieser Blockaden entfernen, und vieles in meinem Leben, das früher blockiert war, fließt wieder in den richtigen Bahnen. Deshalb kann ich auch zweifelsfrei sagen, dass mein persönliches, natürliches Bachbett schwul ist, dass meine sexuelle Orientierung ein Teil dessen ist, wie Gott mich gedacht hat. Damals, als ich dieses Buch gelesen habe, war mir diese Erkenntnis verwehrt.

Ich habe mich seinerzeit in die Hände derer begeben, die dieses Verständnis von Homosexualität vertreten haben, weil ich zurecht der Überzeugung war, dass bei mir solche Blockaden vorlagen. Diese Menschen haben mir auch tatsächlich geholfen, einige dieser Blockaden zu entfernen. Aber leider haben sie sie durch neue ersetzt. Sie haben Kiesel weggeräumt und Felsbrocken herbeigeschafft. Sie haben entfernt, was mir eine erfüllte, lebenslange Beziehung erschwert hätte, aber sie haben mir gleichzeitig eine erfüllte, lebenslange Beziehung unmöglich gemacht. Sie wollten mir den Zugang zu anderen Menschen erleichtern und haben mir den Zugang zu Gott erschwert. Sie haben den Splitter aus meinem Auge entfernt und statt dessen einen Balken eingesetzt.

Von allen Blockaden, die sich in unser Leben eingeschlichen haben, sind die am schlimmsten, die zwischen uns und Gott liegen. Jesus sagt:

Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht und meine Last ist leicht.

Es ist Gottes Wille, dass wir bei ihm Zuflucht finden, dass wir Ruhe finden für unsere Seelen. Das ist der Qualitätserweis des Jochs Jesu. Wie ich schon vor einigen Wochen geschrieben habe: So etwas braucht Zeit. Die menschliche Seele hält an dem fest, was sie kennt, und selbst an die Ruhe in Gottes Nähe muss sie sich erst langsam gewöhnen. Aber wenn diese Ruhe auf Dauer ausbleibt, dann tragen wir nicht das Joch Jesu, sondern ein Joch, das uns Menschen auferlegt haben.

Viele Blockaden sind bei mir heute beseitigt, auch viele derer, die andere Christen in meinem Leben aufgetürmt haben. Darunter kommt ein Bachbett zum Vorschein, das nicht so aussieht, wie ich es mir vor 20 Jahren vorgestellt habe, und viele Christen können sich bis heute nicht vorstellen, dass ein natürliches Bachbett so aussehen könnte. Aber das spielt keine Rolle, denn ich spüre, dass das Wasser mehr und mehr wieder da fließt, wo es fließen soll. Und als Folge erlebe ich, dass ich Gott meine Zuflucht nennen kann, nicht nur aus theologischer Überzeugung, sondern aus persönlicher Erfahrung.