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Frömmigkeit

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Der Sabbat wurde für den Menschen geschaffen und nicht der Mensch für den Sabbat.

Das sagte Jesus zu den Pharisäern und zeigt damit eine wichtige Eigenschaft christlicher Ethik, die weit über das Sabbat-Gebot hinaus gilt. Über die Einhaltung des Feiertags wird ja heute relativ wenig diskutiert, die Streitpunkte liegen woanders.

Letzte Woche ging es hier unter anderem darum, dass Gottes Willen aus der Schöpfung erkennbar ist. Das hat zumindest da Auswirkungen, wo sich christliche Ethik und Morallehre mit eher weltlichen Themen beschäftig. Christen haben also kein durch die Bibel vermitteltes Exklusivwissen, dass der restlichen Welt fehlt. Christen haben höchstens ein tieferes, im Detail genaueres Verständnis einer Morallehre, die sie grundsätzlich mit allen moralisch hoch stehenden Menschen und Kulturen teilen. Die Vergeistigung und Verabsolutierung moralischer Vorstellungen, wie sie sich in den pharisäischen Sabbatvorschriften zur Zeit Jesu zeigt, ist also unbiblisch und unchristlich.

Was ich damit meine, lässt sich schön an der gewandelten Bedeutung des alten Wortes fromm erkennen. Es bedeutete früher nützlich und tüchtig, im erweiterten Sinne auch rechtschaffen. Im 16. Jahrhundert war es unter anderem als Lobeswort für brave und brauchbare Haustiere durchaus gebräuchlich.

Nun ist auch der rechte Christ in diesem Sinne fromm, weil er tüchtig und rechtschaffen das Werk des Herrn tut und damit für Gott und die Menschen nützlich ist. Ab hier hat sich die Bedeutung allerdings verselbständigt: Fromm ist nicht mehr, wer gut und rechtschaffen handelt, sondern wer sich allein auf Gott als Quelle der Rechtschaffenheit konzentriert. Aus einer Hinwendung zu Gott und den Menschen, die Nutzen zu schaffen versucht, wurde zunächst eine reine Hinwendung zu Gott, der der Nutzen egal ist, und schließlich eine Gottbezogenheit, die mit einer Abkapselung von der Welt und einer durchaus beabsichtigten Nutzlosigkeit für diese einher geht. Wer heute fromm sein will, schottet sich von der Welt ab, wird also gewissermaßen weltfremd, und das mit voller Absicht – das ist so ziemlich das Gegenteil der ursprünglichen Wortbedeutung.

Wenn wir nicht aufpassen, geht es uns mit christlicher Ethik genauso. Aus einer Vorschrift, die das Wohl des Menschen zum Ziel hatte, wird ein göttliches Prinzip, das unabhängig vom Menschen gilt, und schließlich ein starres Schema, in das der Mensch gepresst werden muss, um ihn zu formen, um aus ihm etwas zu machen, das er nicht ist. Die Ethik dient nicht mehr dem Menschen, der Mensch dient der Ethik.

Nirgends zeigt sich das zurzeit deutlicher als an der christlichen Sexualethik. Die Ehe ist nicht mehr ein hilfreicher Rahmen, der den Menschen dient und das Glück in Beziehungen fördert, sie ist göttliches Schöpfungsprinzip, in das sich der Mensch einzufügen hat. Dass die Apologeten dieser transzendenten Schöpfungsordnung ein Ehe- und Familienverständnis propagieren, das mit dem Verständnis zu biblischen Zeiten wenig zu tun hat, sei nur am Rande erwähnt. Trotzdem ist jeder Zweifel an diesem Ehemodell für diese Christen pure Ketzerei.

Gleiches geschieht mit der biblischen Unterscheidung von Mann und Frau. Sie verliert ihre Bedeutung als Orientierung, die uns hilft, uns selbst und unseren Platz in der Welt zu finden, und wird zum heteronormativen Schema, in das alle Menschen zwangsweise gepresst werden müssen.

Es ist an der Zeit, dass sich die Frommen auf die alte Bedeutung von Frömmigkeit besinnen, dass sie danach sinnen, was Menschen wirklich nützt, was ihnen frommt. Christliche Ethik und Morallehre ist natürlich keine reine Nützlichkeitserwägung, aber ohne die Nützlichkeitserwägung hört sie auf, christlich zu sein. Und wenn es um die Ehe, vor allem wenn es um gleichgeschlechtliche Ehen geht, muss an erster Stelle stehen, dass die Ehe für den Menschen geschaffen wurde und nicht der Mensch für die Ehe.

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