RSS-Feed

Catch-22

Veröffentlicht am

Vor ein paar Monaten habe ich schon mal einen Einblick in meine dunkelsten Zeiten gegeben. Gott verlangte anscheinend von mir, auf eine echte Beziehung zu einem Mann kategorisch und für alle Zeiten zu verzichten. Für mich ergab das (zurecht) nicht den geringsten Sinn, und ich sah mich außerstande, diesen Gehorsamsschritt zu tun. Ein Dilemma, das mich in tiefe Verzweiflung geführt hat.

In dieser Zeit besorgte mir ein Freund einen Termin bei einer erfahrenen Seelsorgerin. Ich tat mich damals noch schwerer als heute, über meine Gefühle, über meine Verzweiflung zu reden. Ich tat mein Bestes und erklärte Ihr meine Situation, dass Gott von mir einen Schritt verlangte, den zu gehen über meine Kräfte ging. Frau Erfahrene Seelsorgerin™ erklärte mir, dass sie mir nicht helfen könne, wenn ich nicht zu unbedingtem Gehorsam bereit wäre, und schickte mich weg.

Dieses Gespräch hat dazu beigetragen, zwei Überzeugungen bei mir zu festigen:

  • Trost und Hilfe gibt es bei Gott nur gegen Vorleistung.
  • An meiner trostlosen Situation bin ich selbst schuld.

Diese beiden Überzeugungen haben meine Beziehung zu Gott in den Jahren darauf nachhaltig beeinflusst, und zwar ziemlich zerstörerisch beeinflusst. In der Nähe Gottes erwarteten mich Schuldgefühle und psychischer Druck. Es ist schon ein kleines Wunder, dass ich in dieser Zeit überhaupt noch zuweilen die Nähe Gottes gesucht habe.

Erst Jahre später habe ich allmählich gelernt, auch zu klagen und mit Gott zu streiten, so wie es die Bibel ja an verschiedenen Stellen vorexerziert. Ich habe gelernt, meine Gefühle als das wahrzunehmen, was sie sind, nämlich meine wahren Gefühle. Ich habe gelernt, sehr langsam gelernt, dass Gott dem Menschen begegnen will, der ich tatsächlich bin, und nicht einer bereinigten, beschönigten Version von mir, und dass in einer solchen Begegnung viel Trost liegen kann.

Es war kein Trost, der aus schnellen Lösungen bestand. Es war ein Trost, der damit begann, die Verzweiflung aushalten zu können und aus Gottes Hand nehmen zu können, was mein Leben zerstört. Und der mir dann ganz langsam die Perspektive eröffnete, dass Not und Verzweiflung vielleicht doch nicht Gottes Plan für mein Leben seien – ein langer und schwieriger Weg, der noch lange nicht zu Ende ist. Aber entlang dieses Weges habe ich viel gelernt. Als Christ meint ja man immer, man müsse auf dem Weg des Glaubens schon viel weiter sein. Aber Trost und Hilfe gibt es nicht für Wunschdenken, nicht für die Wegkreuzung, an der ich gern wäre, sondern nur für die Wegkreuzung, an der ich mich tatsächlich befinde, ob es mir nun passt oder nicht.

Wenn wir das nicht beachten, landen wir allzu leicht in einer Situation, die nach einem Roman von Joseph Heller als Catch-22 bezeichnet wird. Hellers Protagonist möchte sich für geisteskrank erklären lassen. Im Roman kann aber nur jemand als geisteskrank erklärt werden, der darum bittet. Und wer das tut, beweist aber gleichzeitig so viel Urteilskraft bezüglich der eigenen geistigen Gesundheit, dass er unmöglich geisteskrank sein kann.

Die Seelsorgerin seinerzeit zeigte mir ein geistliches Catch-22: Um Gott gehorsam zu sein, brauchte ich damals ganz offensichtlich Hilfe. Die Voraussetzung dafür, diese Hilfe bekommen zu können, war aber, Gott gehorsam zu sein. Sie machte Gottes Hilfe von Voraussetzungen abhängig, die damals ganz offensichtlich jenseits meiner menschlichen Möglichkeiten lagen. Trost gibt es nur für die, die ihn gar nicht so dringend brauchen.

Dabei sagt Jesus etwas ganz anderes: Nicht die Gesunden brauchen einen Arzt, sondern die Kranken, und Paulus ergänzt, dass Gott in uns beides bewirkt, das Wollen und das Vollbringen. Als Christen müssen wir den Weg der Heiligung beschreiten. Aber Gott erwartet uns nicht am Ende dieses Weges, sonder am Anfang, wirklich ganz am Anfang, weil er ihn mit uns gemeinsam gehen will, weil wir ohne seine Hilfe nicht einen Schritt tun können.

Wir sind immer noch bei der Jahreslosung aus Jesaja 66, Vers 13, und auch nächste Woche soll es noch mal um dieses Thema gehen. Aber bis dahin: Die Liebe einer Mutter ist bedingungslos, und Liebesentzug gehört nicht zu Gottes Erziehungsmethoden. Catch-22 existiert nur in der beschränkten Welt engherziger Christen, die meinen, Zugangsvoraussetzungen zur Gnade Gottes aufrichten zu müssen, und damit dem tröstenden Gott eigentlich ein ganz schlechtes Zeugnis ausstellen. Denn egal wie dunkel und voll von Not, Verzweiflung und Sünde unser Leben auch sein mag: Gottes Trost kann uns immer und überall erreichen.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: