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Jesus zuerst

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Mein Arbeitgeber hat vor einiger Zeit eine Kampagne gestartet, dass es bei allen Entscheidungen immer zuerst um das Wohl und den Erfolg der Firma gehen soll. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, ist es aber natürlich nicht. Wie in allen großen Unternehmen wird die Firmenpolitik nicht zuletzt von internen Machtkämpfen bestimmt. Jeder versucht, sich selbst und seine eigene Abteilung gut dastehen zu lassen. Das ist menschlich und bis zu einem gewissen Grad unvermeidlich, aber natürlich nicht besonders vorteilhaft für den wirtschaftlichen Erfolg.

Die erwähnte Kampagne thematisiert das Problem, liefert den richtigen Lösungsansatz, wird aber in der Praxis nur wenig Erfolg zeigen. Denn die meisten Konflikte drehen sich um die Frage, was denn genau für das Wohl der Firma als Ganzes das beste sei, entweder weil sich die Beteiligten tatsächlich darüber uneins sind, oder weil sie das Wohl der Firma vorschieben, obwohl sie in Wirklichkeit eigene Interessen verteidigen. Niemand wird gegenüber seinen Gegnern zugeben, dass er seinen persönlichen Erfolg über den Erfolg der Firma stellt.

Unter Christen gibt es ganz ähnliche Konflikte: Wir sind uns alle einig, dass Jesus immer an erster Stelle kommen sollte, streiten aber ständig darüber, was dies in der Praxis genau heißt. Dabei werden die Kämpfe oft noch viel verbitterter geführt als in mancher Firma, weil man nicht um Karriere und Geld kämpft, sondern um ewige Wahrheiten. Jeder Krieg hat die Tendenz, jedes Maß und jede Hemmschwelle zu verlieren, aber im Kampf um Glaube und Religion ist das noch viel stärker der Fall als im Kampf um Macht und Einfluss.

Zum Machtkampf in der Firma gibt es noch einen weiteren, viel wesentlicheren Unterschied. Selbst wenn sich Mitarbeiter manchmal für das personifizierte Wohl der Firma halten, bleibt das Ziel doch eine abstrakte Größe. Christen haben den Vorteil, dass sich Christus selbst zu Wort melden kann. Und das tut er auch.

Nach meiner persönlichen Erfahrung gibt es dafür aber zwei Voraussetzungen. Zum einen muss das Thema für Jesus wichtig sein. Ich habe schon oft erlebt, dass Jesus zu einem Thema, das mir persönlich unter den Nägeln brannte, merkwürdig stumm blieb. Im Lauf der Jahre habe ich gelernt, dass meine Maßstäbe von wichtig und unwichtig sich häufig doch erheblich von den seinen unterschieden haben. Und dass ich eher auf das hätte hören sollen, was er mir zu den Themen sagen wollte, die ihm wichtig waren, statt mich einseitig auf meine Prioritäten zu konzentrieren.

Das bringt mich zur zweiten Voraussetzung: Ich muss bereit sein zu hören. Ich vertraue Jesus, dass er jederzeit dazu fähig ist, sich bei mir Gehör zu verschaffen, aber ich weiß einfach auch, dass er sich mein offenes Ohr dazu wünscht, und dass er oft geduldig darauf wartet, bis ich wirklich bereit und in der Lage bin, ihn zu hören. Diese Geduld ist manchmal lästig, weil sie mir erlaubt, mir selbst im Wege zu stehen, aber sie ist Zeichen und Ausdruck seiner Liebe.

Das alles macht die Diskussion unter Christen nicht einfacher. Wenn Jesus ganz persönlich zu mir redet, lässt sich daraus eben nicht eine allgemeine Verhaltensregel für alle erzeugen. Die persönliche, ja intime Natur der Beziehung zu Jesus macht die Suche nach einer gemeinsamen Basis zunächst schwieriger. Ich bin überzeugt, dass es allgemein gültige Regeln für das Leben als Christ gibt, aber die persönliche Beziehung zu Jesus macht diese Regeln flexibler, anpassbarer, diffuser als es uns manchmal lieb ist. Das ist Absicht. Klare, eindeutige Regeln bringen auch immer die Gefahr mit sich, das Hören auf Jesus zu verdrängen, ja überflüssig zu machen. Man weiß ja auch ohne ihn schon alles.

Jesus zuerst heißt eben, alles andere an die zweite Stelle zu setzen. Das gilt für Egoismus und den persönlichen Vorteil. Das gilt auch für die Bibel und die christliche Ethik. Natürlich wird uns Jesus nie etwas sagen, was dem Wesen und Willen Gottes widerspricht. Aber wenn wir ihn an erste Stelle setzen, müssen wir ihm auch erlauben, uns etwas zu sagen, was unserer Vorstellung vom Wesen und Willen Gottes widerspricht. Nur so können wir lernen.

Jesus in unserem Leben konsequent an erste Stelle zu setzen, ist gefährlich, weil durchaus fehleranfällig, kann uns unserer Sicherheiten berauben und uns manchmal sogar ratlos zurücklassen. Aber es ist – man verzeihe mir das viel missbrauchte Wort – alternativlos. „Jesus zuerst“ sei unser Motto. Es wird unser Leben zuweilen auf den Kopf stellen. Gott sei Dank!

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