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Brot, Steine und Wunder

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Es ist müßig, darüber zu diskutieren, welche Wunder Gott tun kann, und wo eventuell die Grenzen seiner Macht liegen. Schon beim Versuch schlägt die menschliche Logik Purzelbäume und verknotet das Hirn. Gottes Allmacht ist zu groß für den menschlichen Geist.

Es gibt aber Wunder, bei denen weigert sich Gott einfach, sie zu tun, obwohl sie in seiner Macht lägen. So zum Beispiel in der Wüste, wie Matthäus im vierten Kapitel berichtet: Jesus hat Hunger, aber er will keine Steine in Brot verwandeln, wie ihm der Teufel vorschlägt. Dabei ist Hunger durchaus ein legitimer Grund für ein Wunder. Bei zwei Gelegenheiten macht Jesus aus wenig Brot viel Brot, so dass tausende Menschen satt werden.

Es gibt natürlich viele Unterschiede zwischen diesen Ereignissen, aber ein ganz wesentlicher ist der Ausgangsstoff. Seit die Menschheit gelernt hat, Getreide anzubauen, erlebt sie Jahr für Jahr, wie aus wenigen Körnern viele Körner werden, wie aus jedem einzelnen Getreidekorn eine Pflanze wachsen kann, die wiederum viele neue Körner trägt. Das ist das ursprüngliche Wunder der Brotvermehrung, ein Wunder, dessen Zusammenhänge und Wirkmechanismen wir über die Jahrhunderte immer besser verstanden haben und mittlerweile bis ins kleinste Detail erklären können. Es ist einer der vielen, guten und kreativen Gedanken, die Gott in die Welt hinein geschaffen hat.

Was Jesus bei den beiden Speisungswundern tut, entspricht diesem Gedanken Gottes: So wie auf natürlichem Wege aus wenig Korn viel Korn wird und die Menschen sättigt, wird hier auf übernatürlichem Wege aus wenig Brot viel Brot, und die Menschen werden satt. In dieser spezifischen Situation fehlt einfach die Zeit und die Möglichkeit, eben mal schnell Getreide auszusäen, zu ernten, zu mahlen und Brot daraus zu backen. Jesus lässt die natürlichen Vorgänge sozusagen im Kurzschluss ablaufen. Das ist weit jenseits jeder naturwissenschaftlich erklärbaren Möglichkeit, es ist ein echtes Wunder, aber es entspricht immer noch dem Grundgedanken Gottes, wie er sich in der Natur offenbart.

Viele Wunder Jesu entsprechen diesem Schema. In der Natur entsteht durch hoch komplexe, aber natürliche Vorgänge aus Wasser, Kohlendioxid, Sonnenenergie und ein paar anderen Zutaten Wein. Jesus macht auf der Hochzeit zu Kana Wasser zu Wein, ganz ohne diese vielen, langwierigen Zwischenschritte. Und viele der Heilungswunder sind außergewöhnliche Beispiele des Gedanken Gottes, der auf gewöhnliche Weise auch in den Selbstheilungskräften des menschlichen Körpers wirkt.

Steine zu Brot zu machen, ist etwas völlig anderes. Nichts, aber auch gar nichts in der Natur deutet darauf hin, dass diese Umwandlung Teil von Gottes Schöpfungsplan ist. Es gibt bestimmt mehrere Gründe, warum Jesus den Vorschlag des Teufels zurückweist, aber ein wichtiger steht in Johannes 5, 19. Jesus sagt: „Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, was er den Vater tun sieht.“ Jesus kennt den Schöpfer. Er kennt die Schöpfungsgedanken. Er war dabei. Er sieht, wie in der Schöpfung aus wenig Nahrung viel Nahrung wird und tut desgleichen. Er sieht, dass in der Schöpfung niemals aus einem toten Stein Nahrung hervorgehen kann, und weigert sich, dies selbst zu tun.

Es gibt ein Wunder, um das praktisch jeder homosexuelle Christ Gott schon gebeten hat. Es gibt ein Gebet, das so gut wie jeder schwule oder lesbische Christ schon gesprochen hat, die meisten von uns sehr intensiv und über lange Zeit hinweg. Es lautet: Gott, mache mich hetero. Es ist ein Gebet, das nicht erhört wird.

Viele Christen, die gleichgeschlechtliche Beziehungen ablehnen, halten sich verzweifelt an dieser vermeintlichen Möglichkeit fest, die sie Heilung nennen. Dabei ist längst klar, dass diese Heilungsversuche fast immer nutzlos, gefährlich und nicht selten schädlich sind. Die größte Organisation dieser Bewegung, Exodus International, hat sich bereits vor vier Jahren selbst aufgelöst, viele ihrer früheren, führenden Mitglieder haben sich für das von ihnen verursachte Leid entschuldigt, leben in festen, gleichgeschlechtlichen Beziehungen oder setzen sich für deren Akzeptanz unter Christen ein.

Aber immer noch beten unzählige Christen verzweifelt um dieses Wunder, dass Gott ihre sexuelle Orientierung, ihre geschlechtliche Identität ändert, damit sie in das heteronormative Schema passen, das ihre Umgebung von ihnen verlangt. Und es ist wahr: Dieses Wunder würde ihre Probleme lösen, würde sie aus Leid und Verzweiflung befreien. Warum erhört dann Gott diese Gebete nicht, warum verweigert er das Wunder? Weil es sich dabei um ein Brot-zu-Steine-Wunder handeln würde.

Die Schöpfung Gottes ist von überbordender Vielfalt. Sie zeigt im Großen und in unzähligen Details, wie der Schöpfer aus wenigen Grundgedanken eine atemberaubende Vielzahl an Varianten und Kombinationen hervorbringt. Dieses Grundkonzept ist ohne jeden Zweifel Teil der guten und kreativen Gedanken, die Gott in seiner Schöpfung verwirklicht hat. Das gilt auch für die sexuelle Identität. Aus den Grundgedanken Mann und Frau setzt Gott in immer neuer Kombination Milliarden von Individuen zusammen, viele davon sehr ähnlich der Standardausstattung, wie sie auch Adam und Eva hatten, manche aber auch deutlich anders, schwul, lesbisch, trans, inter, nicht-binär.

Nach vierzig Tagen in der Wüste muss Jesus nicht nur sehr großen Hunger, sondern auch sehr große Not gelitten haben. Er brauchte wirklich dringend etwas zu essen, viel dringender als die tausende Menschen, die er später durch ein Wunder satt gemacht hat. Trotzdem macht er keine Steine zu Brot. Not, und sei sie noch so groß, ist keine ausreichende Begründung für ein Wunder, das nicht dem Wesen und den Gedanken Gottes entspricht. Wer die Heilung von Homosexualität propagiert, handelt nicht zwangsläufig in böser Absicht. Aber er verspricht Menschen in großer Not ein Wunder, das Gott nicht tun wird, weil es nicht seinen guten Schöpfungsgedanken entspricht. Er spricht letztlich mit der Stimme des Versuchers in der Wüste.

Gott, der Mensch gewordene

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Wir haben ja nicht einen Hohepriester, der nicht mitfühlen könnte mit unserer Schwäche, sondern einen, der in allem wie wir in Versuchung geführt worden ist, aber nicht gesündigt hat.

Gott ist Mensch geworden, um uns zu retten. Ein einfacher Satz, der so viel Geheimnisvolles in sich birgt, das wir unser ganzes Leben mit dem Versuch verbringen können, ihn wirklich zu verstehen. Wir können es auch bleiben lassen, denn um durch Jesus gerettet zu werden, muss man seine Rettungstat glücklicherweise nicht gänzlich verstehen. Ich bin sogar der Meinung, dass man Jesus noch nicht einmal kennen muss, zumindest nicht unter diesem Namen, um von ihm gerettet zu werden. Aber das ist ein ganz anderes Thema.

Dabei übersehen wir leicht, dass es auch von Gottes Seite ein gewisses Verständnisproblem gibt. Die Versuchung ist beständiger, ja fast schon definierender Teil des Menschseins. Wir besitzen die im Grunde sehr erstaunliche Fähigkeit, das Richtige zu erkennen, und trotzdem das Falsche zu tun. Moralisch richtiges Handeln setzt für uns eine aktive, häufig eine schwierige Entscheidung voraus. Die besten Denker der Menschheit haben viel Zeit damit zugebracht zu überlegen, wie diese Entscheidungen besser und einfacher zu treffen sein könnten.

Um dieses Dilemma geht es auch, wenn die Bibel von Versuchung spricht. Und dieses Dilemma ist etwas, das Gott tatsächlich nicht kennt, das seinem Wesen nicht entspricht. Wie könnte Gott versucht werden? Wie könnte Gott durch Kräfte außerhalb von ihm dazu verleitet werden, etwas Unrechtes zu tun? Der Schöpfer des Universums ist immer mit sich selbst eins und kennt keine inneren Konflikte.

Gott ist Mensch geworden, um uns zu retten. Er ist aber auch Mensch geworden, um sich bewusst den Umständen auszusetzen, die für uns Menschen Teil unserer Existenz sind, für die bei Gott aber eigentlich kein Platz ist. Und dazu gehört auch, versucht zu werden. Im eingangs zitierten Vers aus dem Hebräerbrief ist mit dem Hohepriester natürlich Jesus gemeint. Er hat Versuchung erlebt, und zwar nicht einfach nur so, sondern „in allem“ und „wie wir“.

Es gab im Leben Jesu eine kurze Episode in der Wüste, die in den meisten Bibeln mit „Versuchung Jesu“ überschrieben wird. Es waren Versuchungen besonderer Art, die Jesus in dieser Situation erlebt hat, aber es waren nicht seine einzigen. Er wurde nicht nur einzelnen Versuchungen ausgesetzt, damit dem Prinzip genüge getan würde. Der Teufel hat ihm nicht nur diesen Musterkoffer mit einer Auswahl erlesenster Versuchungen präsentiert.

Dass Jesus in allem wie wir versucht wurde, ist bestimmt auch theologisch sehr interessant, aber für mich bedeutet diese Tatsache vor allem persönlich sehr viel. Er versteht. Ich muss ihm nichts erklären. Dass er es fertig gebracht hat, der Versuchung nicht nachzugeben, heißt nicht, dass sie bei ihm weniger stark war. Und es heißt vor allem und ganz entschieden nicht, dass es ihm leicht gefallen sei. Er kann mitfühlen mit meiner Schwachheit, weil er selbst schwach war, müde, abgekämpft, enttäuscht, mutlos. Da ist kein: „Jetzt stell Dich nicht so an!“. Da ist ein „Ich weiß.“ Und wenn es nötig ist und er es mir zutraut, ist da ein „Ich weiß, aber …“

Denn Gott will mich natürlich jeden Tag ein wenig zu einem besseren Menschen machen. Er will, dass ich lerne, Versuchungen zu widerstehen. Dabei kennt er den Weg, weil er ihn selbst schon gegangen ist. Meine Stolperschritte, mein Versagen, meine Rückschläge machen ihm nichts aus, weil er sehr genau ihre Ursachen kennt, sie selbst erlebt hat. Es ist ja schon nett, wenn der allmächtige Gott bereit ist, meine Schwachheit als Mensch zu akzeptieren. Jesus hat aber so viel mehr getan: Er hat sich freiwillig dazu entschieden, diese Schwachheit zu teilen.

„Lass mir das Ziel vor Augen bleiben“, so heißt es in einem Lied. Eigentlich ein guter Ratschlag, aber ich stelle immer wieder fest, dass ich auf diese Weise gerade bei den großen, bei den schwierig zu erreichenden Zielen Jesus aus den Augen verliere. Denn der Mensch gewordene Jesus wartet nicht am Ziel auf mich. Er geht mit mir.

Jesus zuerst

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Mein Arbeitgeber hat vor einiger Zeit eine Kampagne gestartet, dass es bei allen Entscheidungen immer zuerst um das Wohl und den Erfolg der Firma gehen soll. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, ist es aber natürlich nicht. Wie in allen großen Unternehmen wird die Firmenpolitik nicht zuletzt von internen Machtkämpfen bestimmt. Jeder versucht, sich selbst und seine eigene Abteilung gut dastehen zu lassen. Das ist menschlich und bis zu einem gewissen Grad unvermeidlich, aber natürlich nicht besonders vorteilhaft für den wirtschaftlichen Erfolg.

Die erwähnte Kampagne thematisiert das Problem, liefert den richtigen Lösungsansatz, wird aber in der Praxis nur wenig Erfolg zeigen. Denn die meisten Konflikte drehen sich um die Frage, was denn genau für das Wohl der Firma als Ganzes das beste sei, entweder weil sich die Beteiligten tatsächlich darüber uneins sind, oder weil sie das Wohl der Firma vorschieben, obwohl sie in Wirklichkeit eigene Interessen verteidigen. Niemand wird gegenüber seinen Gegnern zugeben, dass er seinen persönlichen Erfolg über den Erfolg der Firma stellt.

Unter Christen gibt es ganz ähnliche Konflikte: Wir sind uns alle einig, dass Jesus immer an erster Stelle kommen sollte, streiten aber ständig darüber, was dies in der Praxis genau heißt. Dabei werden die Kämpfe oft noch viel verbitterter geführt als in mancher Firma, weil man nicht um Karriere und Geld kämpft, sondern um ewige Wahrheiten. Jeder Krieg hat die Tendenz, jedes Maß und jede Hemmschwelle zu verlieren, aber im Kampf um Glaube und Religion ist das noch viel stärker der Fall als im Kampf um Macht und Einfluss.

Zum Machtkampf in der Firma gibt es noch einen weiteren, viel wesentlicheren Unterschied. Selbst wenn sich Mitarbeiter manchmal für das personifizierte Wohl der Firma halten, bleibt das Ziel doch eine abstrakte Größe. Christen haben den Vorteil, dass sich Christus selbst zu Wort melden kann. Und das tut er auch.

Nach meiner persönlichen Erfahrung gibt es dafür aber zwei Voraussetzungen. Zum einen muss das Thema für Jesus wichtig sein. Ich habe schon oft erlebt, dass Jesus zu einem Thema, das mir persönlich unter den Nägeln brannte, merkwürdig stumm blieb. Im Lauf der Jahre habe ich gelernt, dass meine Maßstäbe von wichtig und unwichtig sich häufig doch erheblich von den seinen unterschieden haben. Und dass ich eher auf das hätte hören sollen, was er mir zu den Themen sagen wollte, die ihm wichtig waren, statt mich einseitig auf meine Prioritäten zu konzentrieren.

Das bringt mich zur zweiten Voraussetzung: Ich muss bereit sein zu hören. Ich vertraue Jesus, dass er jederzeit dazu fähig ist, sich bei mir Gehör zu verschaffen, aber ich weiß einfach auch, dass er sich mein offenes Ohr dazu wünscht, und dass er oft geduldig darauf wartet, bis ich wirklich bereit und in der Lage bin, ihn zu hören. Diese Geduld ist manchmal lästig, weil sie mir erlaubt, mir selbst im Wege zu stehen, aber sie ist Zeichen und Ausdruck seiner Liebe.

Das alles macht die Diskussion unter Christen nicht einfacher. Wenn Jesus ganz persönlich zu mir redet, lässt sich daraus eben nicht eine allgemeine Verhaltensregel für alle erzeugen. Die persönliche, ja intime Natur der Beziehung zu Jesus macht die Suche nach einer gemeinsamen Basis zunächst schwieriger. Ich bin überzeugt, dass es allgemein gültige Regeln für das Leben als Christ gibt, aber die persönliche Beziehung zu Jesus macht diese Regeln flexibler, anpassbarer, diffuser als es uns manchmal lieb ist. Das ist Absicht. Klare, eindeutige Regeln bringen auch immer die Gefahr mit sich, das Hören auf Jesus zu verdrängen, ja überflüssig zu machen. Man weiß ja auch ohne ihn schon alles.

Jesus zuerst heißt eben, alles andere an die zweite Stelle zu setzen. Das gilt für Egoismus und den persönlichen Vorteil. Das gilt auch für die Bibel und die christliche Ethik. Natürlich wird uns Jesus nie etwas sagen, was dem Wesen und Willen Gottes widerspricht. Aber wenn wir ihn an erste Stelle setzen, müssen wir ihm auch erlauben, uns etwas zu sagen, was unserer Vorstellung vom Wesen und Willen Gottes widerspricht. Nur so können wir lernen.

Jesus in unserem Leben konsequent an erste Stelle zu setzen, ist gefährlich, weil durchaus fehleranfällig, kann uns unserer Sicherheiten berauben und uns manchmal sogar ratlos zurücklassen. Aber es ist – man verzeihe mir das viel missbrauchte Wort – alternativlos. „Jesus zuerst“ sei unser Motto. Es wird unser Leben zuweilen auf den Kopf stellen. Gott sei Dank!