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Schlagwort-Archive: Schöpfung

Inter

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In einem wegweisenden Urteil hat das Bundesverfassungsgericht in dieser Woche festgestellt, dass die Auswahlmöglichkeit männlich  und weiblich zur Beschreibung des Geschlechts einer Person nicht ausreichend sind, und dass es auch nicht genügt, wenn man Menschen die Möglichkeit gibt, diese Stelle leer zu lassen. Wie üblich liefert das Verfassungsgericht keine genaue Lösung, wie das Personenstandsrecht geändert werden muss, sondern beschreibt, was am aktuellen Personenstandsrecht nicht in Ordnung ist, nämlich dass die aktuelle Situation für die klagende Person verfassungsrechtlich nicht zumutbar ist.

Diese lässt sich weder eindeutig dem männlichen, noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen, was im konkreten Fall eindeutig medizinisch festgestellt wurde. Sie darf daher nicht gezwungen werden, sich ein Geschlecht zuzuschreiben, dem sie nicht angehört. Und auch das leer lassen müssen des Eintrags stellt eine Diskriminierung dar, denn wie die Verfassungsrichter feststellen, ist die geschlechtliche Identität „regelmäßig ein konstituierender Aspekt der eigenen Persönlichkeit“. Ein Eintrag ohne Geschlecht würde die Person als unvollständig darstellen, als jemand, der/dem etwas fehlt.

Der Sammelbegriff Intersexualität umfasst eine ganze Reihe von genetischen, anatomischen oder hormonellen Gegebenheiten, die dazu führen, dass ein Mensch biologisch nicht eindeutig einem Geschlecht zugeordnet werden kann. Der Begriff ist so uneindeutig und die Datenlage so unklar, dass je nach Definition und Statistik von 80.000 bis 400.000 intersexuellen Menschen in Deutschland ausgegangen werden kann.

Das Thema wurde und wird viel unter den Tisch gekehrt, nicht zuletzt weil vielfach die betroffenen Menschen schon im Säuglingsalter auf ein bestimmtes Geschlecht hin umoperiert wurden (und teilweise immer noch werden), meist auf das weibliche, weil das chirurgisch einfacher ist. Man kann ja vielleicht noch darüber diskutieren, ob es gut ist, wenn erwachsene, selbstbestimmte Menschen sich ihr Äußeres chirurgisch an das Geschlecht anpassen lassen, als das sie sich identifizieren. Ich persönlich halte diese Möglichkeit für einen großen Segen. Aber wenn Ärzte an den Genitalien eines Kindes rumdoktern, das für jeden Willensausdruck bezüglich seiner eigenen geschlechtlichen Identität noch viel zu jung ist, ist das für mich gar nicht gut, das ist für mich nichts anderes als eine Genitalverstümmelung.

So unklar Definition und Statistik sind, so klar und eindeutig ist die Situation meist bei den betroffenen Personen, zum Beispiel bei genetischer Intersexualität. Bei den Geschlechtschromosomen gilt die Kombination xx als weiblich, xy als männlich. Jede andere Kombination, und da gibt es tatsächlich mehrere Möglichkeiten, ist weder eindeutig weiblich noch eindeutig männlich. Das sind medizinische Fakten, die nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden können.

Nun gibt es Christen, die in der Schöpfung des Menschen als Mann und Frau nach 1. Mose 1, 27 einen abgeschlossenen Katalog allen menschlichen Daseins lesen wollen, dass jeder Mensch entweder eindeutig und in allen Aspekten ein Mann oder eben eindeutig und in allen Aspekten eine Frau sei. Diese Christen mögen im Urteil des Bundesverfassungsgericht einen Angriff auf ihr biblisches, schöpfungsgemäßes Menschenbild sehen. Sie verkennen dabei, dass dieses Urteil auf Fakten beruht, die in sich selbst ein Angriff auf dieses angeblich biblische und schöpfungsgemäße Menschenbild sind.

Dass die Auslegung dieser Bibelstelle auf ein binäres (nur eindeutig Mann und eindeutig Frau kennendes) Menschenbild exegetisch unsinnig ist, habe ich schon vor eineinhalb Jahren geschrieben. Die verschiedenen Formen von Intersexualität zeigen, dass dieses binäre Geschlechtsverständnis schlicht und einfach falsch ist. Ein Menschenbild, das im erkennbaren Widerspruch zur Schöpfung steht, kann nicht schöpfungsgemäß und auch nicht biblisch sein.

Viele Menschen sind sich der medizinischen Fakten, die hinter dem Phänomen Intersexualität stehen, nicht bewusst. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts mag dazu beitragen, das Wissen über diese Fakten zu verbreiten. Wenn dieses Wissen bei Christen auf ein binäres Geschlechtsverständnis trifft, wird es zum Prüfstein. Es ist unumstößlicher Teil jedes christlichen Menschenbildes, dass jeder Mensch absichtsvoll von Gott erschaffen ist. Das gilt selbstverständlich auch für Menschen, die von Geburt an weder eindeutig männlich noch eindeutig weiblich sind.

Für die Verfassungsrichter ist die Situation eindeutig: Diese Menschen existieren, deshalb haben sie automatisch dieselben Rechte wie alle anderen Menschen. Das im Personenstandsrecht vorgesehene binäre Geschlechtsverständnis zerbricht an der intersexuellen Realität und der verfassungsgemäß garantierten Menschenwürde. Der biblische Befund darf nicht anders aussehen: Das binäre Menschenbild als ausschließlich Mann und Frau zerbricht an der Würde jedes einzelnen Menschen als von Gott liebevoll gewollten und geschaffenen Individuums.

Natürlich sind intersexuell geborene Menschen nicht dazu geschaffen, irgend etwas zu beweisen oder zu widerlegen. Manche von ihnen identifizieren sich als Frau, andere als Mann. Nur ein Teil von ihnen wird die neuen Rechte wahrnehmen, die sich aus dem Verfassungsgerichts-Urteil ergeben. Dafür gibt es andere Menschen, die, obwohl mit biologisch eindeutigem Geschlecht geboren, sich nicht oder nicht allein mit diesem Geschlecht identifizieren. Der Prüfstein Intersexualität kann auf vielerlei Weise zum Stein des Anstoßes werden. Er kann auch zum Eckstein eines Menschenbildes werden, dass die schöpfungsgemäße Vielfalt geschlechtlicher Identitäten preist und das Recht jedes Menschen, diese selbst zu entdecken, ehrt.

Die biblische Ehe im Wandel der Zeit

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Die Bibel ist der richtige Ort für jeden, der nach ewigen Wahrheiten sucht. Sie ist voll davon. Aber dennoch ist bei weitem nicht alles, was in der Bibel steht, ewige Wahrheit. Manchmal kann es sogar im Grundsatz falsch sein, in der Bibel nach ewigen Wahrheiten zu suchen, nämlich genau dann, wenn es um Themen geht, die ihrer Natur nach nicht ewig sind, die keine ewige Gültigkeit haben. Eines der wichtigsten derartigen Themen ist die Ehe.

Nicht nur dass jede Ehe (spätestens) mit dem Tod eines Partners für alle Zeiten endet, auch die Institution Ehe an sich wird mit dieser Welt enden, wenn der Herr einmal alles neu machen wird. Die Sadduzäer weisen im Gespräch mit Jesus zurecht darauf hin, dass unsere Vorstellung von Ehe zu Widersprüchen führt, wenn es stimmt, dass die Menschen von den Toten auferstehen und ewig leben werden. Sie wollen damit die Vorstellung der Auferstehung ad absurdum führen, aber Jesus macht klar, dass es das Konzept der Ehe ist, das aufhören wird zu existieren, nicht der Mensch. Es mag ja romantisch sein, wenn sich Verliebte ewige Liebe schwören, biblisch gesehen ist das Unsinn.

Darüber hinaus ist unsere Vorstellung von der Ehe schon in dieser Welt immer wieder Veränderungen unterworfen. Das liegt auch und gerade an ihrer immensen Wichtigkeit: Gerade weil die Ehe von so großer Bedeutung für das Zusammenleben und den Zusammenhalt einer Gesellschaft ist, kann sie keinesfalls unabhängig und losgelöst von den gesellschaftlichen Umständen gelebt werden. Sie hat ihren unveränderlichen Kern, nämlich den Menschen als Schöpfungswerk Gottes. Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei. Aber die praktische Ausgestaltung dieser göttlichen Ordnung muss sich nach den jeweiligen Möglichkeiten richten, muss sich den Rahmen menschlicher Ordnung geben. Die Ehe ist, wie Luther sagt, ein weltlich Ding. Die protestantische Christenheit versteht unter einer kirchlichen Trauung nicht, dass zwei Menschen in die göttliche Ordnung der Ehe eintreten, sondern dass sich Gott selbst zu der nach Menschenordnung geschlossenen Ehe bekennt und sie segnet.

Im Mittelpunkt steht der Mensch. Es geht nicht darum, abstrakten göttlichen Prinzipien zur Geltung zu verhelfen. Wie immer bei ethisch-moralischen Fragen geht es darum, die Lösung zu finden, mit der der Mensch als Geschöpf Gottes am besten zur Ehre Gottes leben kann. Dass dabei immer wieder Kompromisse gemacht werden müssen, ist in Ordnung, denn Gott selbst macht es so. Schon die Ehescheidung ist so ein Kompromiss, der immer wieder hinterfragt werden muss. Jesus verurteilt den Wildwuchs in dieser Frage, aber schon wenige Jahrzehnte später öffnet Paulus im ersten Korintherbrief wieder eine neue Möglichkeit für Menschen, deren Partner sich wegen ihres neuen Glaubens an Christus von ihnen getrennt haben. Er macht das nicht, weil er Jesu Worte nicht ernst nimmt, sondern weil neue gesellschaftliche Randbedingung eine Neujustage dieses Kompromisses notwendig gemacht haben.

Die Bibel versucht sich immer wieder an dieser Neujustage ehelicher Prinzipien, manchmal auch vergebens. „Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen“, steht gleich zu Anfang, und wir überlesen aus unser heutigen Sicht allzu leicht, wie provozierend, ja revolutionär dieser harmlos aussehende Halbsatz in einer durch und durch patriarchalischen Gesellschaft geklungen haben muss. Einer der (aus heutiger Sicht) skurrilsten Kompromisse mit den Prinzipien der Ehe wird von Gott selbst geboten, nämlich die Schwagerehe: Wenn ein verheirateter Mann kinderlos stirbt, soll seine Witwe seinen nächst jüngeren, ledigen Bruder heiraten. Eine Regel, die nur unter den Bedingungen der damaligen Gesellschaft halbwegs verständlich ist, und auch nur in der damaligen Gesellschaft Sinn ergibt. Sie ist nach meiner Meinung der Inbegriff eines geringeren Übels, geboten von Gott unter bewusster Missachtung der Schöpfungsprinzipien der Ehe. Und sie wäre völlig unnötig, wenn das mit dem Mann, der Vater und Mutter für seine Frau verlässt, auch nur ansatzweise gesellschaftliche Realität gewesen wäre.

Nur Rechthaber und Idioten bestehen auf dem Idealfall. Der gute Hirte achtet stets darauf, seinen Schafen nicht zu weit voraus zu sein. Was die Bibel zur Ehe schreibt, ist durchweg geprägt von dem Wunsch Gottes, die realen Verhältnisse der Ehe zu verbessern. Es ist damit zwangsläufig auch durchweg von den gesellschaftlichen Verhältnissen ihrer Entstehungszeit geprägt. Wer versucht, diese Unterweisungen eins zu eins auf heutige Verhältnisse anzuwenden, geht an ihrem Kern vorbei. Schlimmer noch: Er läuft Gefahr, ihren Sinn ins Gegenteil zu verkehren. Schwagerehen sind nicht mehr nötig. Was vor dreitausend Jahren ein großer Fortschritt war, kann heute ein massiver Rückschritt sein.

Der sorgfältige Ausleger sieht sich der schwierigen Aufgabe gegenüber, die konkrete, biblische Unterweisung von ihren gesellschaftlichen Ursachen zu befreien und den verborgenen Kern, das Schöpfungsprinzip dahinter freizulegen. So und nur so kann aus dem biblischen Wortlaut wirklich eine segensreiche Hilfestellung für heutige Ehen gewonnen werden. Wir haben es nötig.

Dies ist wieder mal der Anfang einer kleinen Serie. Ich möchte mich in den nächsten Wochen ein wenig dieser Aufgabe zu widmen, auch wenn ich als Single und Laie vielleicht nicht der geeignetste Kandidat dafür bin. Aber das Verständnis gleichgeschlechtlicher Ehen steht und fällt mit dem richtigen Verständnis der Ehe an sich, und ich denke, ich kann da zumindest ein paar Missverständnisse ausräumen.

#proudtobe

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Diese Woche erschien eine Zeit lang auf Youtube neben dem Logo ein Herz in Regenbogenfarben. Es war Teil und Zeichen einer Kampagne anlässlich des Pride Month in den USA, in der viele Youtuber in ihren Videos erklärten, stolz zu sein auf das, was sie sind.

Beim Wort Stolz klingeln bei vielen Christen die Alarmglocken. Nicht ganz zu unrecht, denn das, was hier mit Stolz gemeint ist, kann leicht mit Hochmut verwechselt werden, und das englische Wort pride lässt sich tatsächlich mit beiden deutschen Wörtern übersetzen. Dabei geht es um zwei grundverschiedene Haltungen.

Der Unterschied lässt sich am besten an einem weiteren Wort erklären: Selbstverwirklichung – ein Schlagwort, das unter Christen häufig mit deutlich negativer Konnotation verwendet wird, und das unter dem üblichen Problem leidet, wenn Worte zu Schlagworten werden: Niemand fragt mehr, was das Wort eigentlich bedeutet. Von welchem Selbst ist hier eigentlich die Rede? Es ist doch naiv anzunehmen, dass bei einem so komplexen Wesen wie dem Menschen der Begriff Selbst plötzlich eine einfache, klar umrissene Bedeutung haben könnte.

Dabei ist das erste Selbstbild des Menschen in der Bibel das des Ebenbildes Gottes, und David betet über den Mensch:

Du hast ihn wenig geringer gemacht als Engel, mit Herrlichkeit und Pracht krönst du ihn.

Das Selbst des Menschen ist also nach Absicht und Tat des Schöpfers der Abglanz der Herrlichkeit Gottes. Ein wirklich erhebender Gedanke, aber er wirft zwei neue Fragen auf: Warum um Gottes Willen soll es schlecht sein, dieses Selbst zu verwirklichen? Und wenn wir wirklich die Herrlichkeit Gottes widerspiegeln, was bleibt dann dabei noch übrig, das verwirklicht werden muss. Nun, es ist offensichtlich entlang des Weges eine Menge schief gegangen, und das nennt die Bibel Sünde. Leider ein Begriff, der mittlerweile so viele Bedeutungsänderungen erfahren hat, dass die ursprüngliche biblische Sicht erst mal aus diesen Zusatzbedeutungen archäologisch ausgegraben werden müsste. Es gibt aber einen vielleicht nicht ganz gleichwertigen, dafür wesentlich verständlicheren Begriff: Entfremdung

Wir kennen das Wort von Karl Marx, wo es natürlich keinerlei geistlichen Bezug hat, aber es ist viel älter und hat auch aus Marx‘ Feder sich nicht in seiner Kernbedeutung verändert. Wir sind von Gott entfremdet, Gott ist uns fremd geworden. Und damit sind wir auch unseren Mitmenschen, unserem gesamten Lebensumfeld und letztlich uns selbst entfremdet. Das göttliche Selbst, das Ebenbild Gottes in uns ist ein Fremdkörper geworden, zu dem wir den Kontakt verloren haben. Die Folgen sind bekanntermaßen verheerend. Gottfried Benn spricht zwar eher vom Verfall des Körpers, sein berühmter Satz trifft trotzdem: Die Krone der Schöpfung, das Schwein, der Mensch.

Von welchem Selbst reden wir nun? Vom entfremdeten Selbst, das (im wahrsten Sinne des Wortes) ichsüchtig mit allen Mitteln zu ersetzen versucht, was es verloren hat? Oder vom Gott ebenbildlichen Selbst, das wir ja doch immer noch sind? Hier tut sich der feine und leicht übersehbare Abgrund auf zwischen Hochmut und Stolz. Hochmut, dem jedes Mittel recht ist, das eigene Ich in den Mittelpunkt zu stellen. Und Stolz, der die Herrlichkeit und Pracht Gottes im eigenen Ich erkennt und jedes Mittel ablehnt, das auch nur einen Schatten darauf werfen könnte. Zwei Haltungen, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten, aber doch sind die Übergänge dazwischen in der Praxis fließend.

Eine besonders augenfällige Eigenschaft der Schöpfung ist ihre überbordende Vielfalt. Sie ist keine zufällige Schwankung, kein Mangel an Reproduzierbarkeit. Sie ist der absichtsvolle Ausdruck des Reichtums und der Kreativität des Schöpfers. Und so bringt es Gott auch fertig, Milliarden von Menschen zu schaffen, alle nach seinem Bild gestaltet, aber alle unterschiedlich. Und auch wenn es viele Gemeinsamkeiten gibt, vieles, was für alle Menschen gleichermaßen gilt: Die Schöpferkraft Gottes findet ihren Ausdruck auch und vor allem in unserer Unterschiedlichkeit.

Die Videos mit dem Hashtag #proudtobe feiern diese Unterschiedlichkeit als Reichtum. Nur wenige loben dabei ausdrücklich den Schöpfer als Quelle dieses Reichtums, aber ich glaube, dass Gott auch gerne ein Lob für seine Schöpfung annimmt, wenn es nicht direkt an ihn gerichtet ist. Und sie feiern diese Unterschiedlichkeit nicht als Besitz, den sie haben, sondern als Gabe, die es zu entdecken und zu gestalten gilt, und für deren Entfaltung es sich auch zu kämpfen lohnt. #proudtobe steht nicht für Hochmut, sondern für Stolz; für Selbstverwirklichung im besten, christlichsten Sinne, nämlich dafür, die von Gott in uns angelegten Schöpfungsgedanken zu entdecken, zu entfalten, Wirklichkeit werden zu lassen.

Natürlich geht es bei der Youtube-Kampagne in erster Linie um die Vielfalt an sexuellen Identitäten. Das ist nur ein Teilaspekt des Reichtums in Gottes Schöpfung, aber eben ein wichtiger, zurecht viel diskutierter Teilaspekt. Natürlich geht es in erster Linie um die Sicht der Minderheiten, aber es sind ja gerade die Minderheiten, die diese Vielfalt ausmachen und den Reichtum des Schöpfers sichtbar werden lassen. Und damit bringe ich mich selbst ins Spiel. Als schwuler Cis-Mann gehöre ich unter den Minderheiten noch zu einer der größten Gruppen. Aber gerade meine homosexuelle Orientierung ist Teil des Reichtums und der Vielfalt in der Schöpfung. Sie ist Schöpfungsgedanke Gottes über mich, mir absichtsvoll und vertrauensvoll von einem liebenden Schöpfer mitgegeben, damit ich sie verantwortungsvoll zur Ehre Gottes entfalte. Ich versuche zumindest, diesem Vertrauen gerecht zu werden. Und dazu gehört auf jeden Fall:

Ich bin stolz, schwul zu sein.

Reality-Check

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Gott ist der perfekte Realist. Er sieht alles in der Welt genau so, wie es ist, und bei ihm gibt es keine Täuschung, keinen Irrtum und vor allem kein Wunschdenken. Das ist bei uns Menschen nicht so. Unsere Wahrnehmung wird von einer Vielzahl an Faktoren beeinflusst und sehr oft auch getrübt. Man muss sich nur mal ein paar optische Täuschungen anschauen, um zu erkennen, wie sehr der angeblich einfache Vorgang des Sehens von Erwartungshaltungen und Gewohnheiten beeinflusst wird.

Wenn wir Gott wirklich ähnlicher werden wollen, gehört es dazu, dass unser Blick auf die Welt realistischer wird, dass wir Irrtum und Wunschdenken zurückdrängen. Und das gelingt nicht ohne die Anerkennung und Anwendung dessen, was wir Wissenschaft nennen. Denn insbesondere die Natur- und Humanwissenschaften haben in den letzten Jahrhunderten ausgefeilte Verfahren hervorgebracht, die unsere menschlichen Schwächen zu kompensieren versuchen und einen weitgehend realistischen Blick auf Natur und Mensch ermöglichen.

Sie erfüllen damit den Auftrag Gottes an Adam. Denn in 1. Mose, Kapitel 2, steht vor dem bebauen und bewahren das benennen. Adam – und damit die gesamte Menschheit – ist beauftragt, den Tierarten ihre Namen zu geben, sie zu kategorisieren und einzuordnen. Wissen über die Natur ist nicht nur die notwendige Voraussetzung für erfolgreiches Gestalten und Schützen, es stellt auch einen Wert an sich dar. Gott sieht die Schöpfung, wie sie ist, und wir sollten zumindest versuchen, dem nahe zu kommen.

Damit erfüllen die Natur- und Humanwissenschaften nicht nur den Schöpfungsauftrag Gottes, sie beschäftigen sich auch indirekt mit Gott, denn Gottes Wesen und Gottes Willen sind in der Schöpfung offenbart, wie Paulus an die Römer schreibt. Dass sie dabei Gott außen vor lassen, steht dazu nicht im Widerspruch, denn es ist methodisch notwendig und praktisch bewährt. Die Loslösung von Bibel und Glauben hat den atemberaubenden Erfolg moderner Wissenschaften erst möglich gemacht.

Auf dieses Konzept der Gewinnung von Erkenntnissen hat die Christenheit häufig mit Skepsis oder sogar Ablehnung reagiert. Die Bibel als Wort Gottes stünde über der Wissenschaft, so die Argumentation, und wenn beide uneins sind, müsse die Bibel recht behalten. Die entscheidende Frage ist aber, warum sie überhaupt uneins sein sollten.

Beide, Theologie und Naturwissenschaft, beschäftigen sich mit Betrachtung, Auslegung und Systematisierung der Offenbarung Gottes. Bibel und Schöpfung sind zwei getrennte, dem Wesen nach sehr unterschiedliche Offenbarungen Gottes, aber sie kommen aus derselben Quelle, und so wie ich die Quelle kenne, können sie gar nicht im Widerspruch zueinander stehen. Wenn also die Natur- und Humanwissenschaften zu Erkenntnissen kommen, die anscheinend der Bibel widersprechen, dann hat sich mindestens eine Seite geirrt. Und ich sehe keinen Grund zu der Annahme, dass dies immer die Wissenschaften sein sollen.

Ich will keineswegs behaupten, dass die Wissenschaft immer Recht habe. Der natur- und humanwissenschaftliche Erkenntnisprozess verläuft langsam, geht häufig im Zickzack und manchmal auch Irrwege. Das in den Medien oft verbreitete Bild der Wissenschaft, die schlagartig bahnbrechende, neue Erkenntnisse beschert, ist ein Mythos. Aber der realistische Blick in die Vergangenheit zeigt eindeutig, dass die wissenschaftliche Methodik auf Dauer zu erstaunlichen Erfolgen führt, dass sie manchmal sehr bahnbrechende und unerwartete, häufig sehr belastbare und zutreffende Erkenntnisse hervorbringt. Und das Christen, die sich gegen diese Erkenntnisse gesträubt haben, sich im Rückblick regelmäßig ziemlich lächerlich gemacht haben.

Die allermeisten echten Wissenschaftler wissen um die konkreten Schwächen ihrer Theorien. Daran sollte man sich als Bibelausleger ein Vorbild nehmen. Der Konflikt entsteht meist erst dann, wenn man von der Unfehlbarkeit der Bibel auf die Unfehlbarkeit des Auslegers schließt. Das aber ist keine geistliche Position, das ist Überheblichkeit, das ist menschliche Hybris. Ein Bibelausleger, der wissenschaftliche Erkenntnis ignoriert oder gar als feindlich ansieht, beraubt sich damit nicht nur eines wichtigen Weges zur Erkenntnis Gottes, er beraubt sich damit auch eines wichtigen Korrektivs seiner eigenen Arbeit.

Es geht hier um Warnsignale, um Indizien, dass eine gewohnte Auslegung der Bibel falsch sein könnte und sie dringend gründlich überprüft werden müsste. Und wenn eine Bibelauslegung im krassen Widerspruch zur gefestigten wissenschaftlichen Meinung steht, dann müssten eigentlich für den sorgfältigen Bibelausleger sämtliche Warnglocken läuten, so dass man schon fast taub davon würde. Gott sieht die Schöpfung genau so, wie sie ist. Wenn wir das auch wollen, sollten wir alle Möglichkeiten menschlicher Erkenntnisfähigkeit nutzen. Und wenn wir das richtig gut machen, wird so etwas wie ein Widerspruch zwischen Wissenschaft und Bibel gar nicht erst auftreten.

Adam und Peter

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God made Adam and Eve, not Adam and Steve.

Dieser Slogan entstand in den siebziger Jahren in den USA und wendet sich offensichtlich gegen gleichgeschlechtliche, insbesondere gegen schwule Beziehungen. Die deutsche Entsprechung scheint Adam und Peter zu sein, ist mir aber in „freier Wildbahn“ noch nie begegnet, wohl weil er nicht halb so einprägsam klingt wie die englische Variante.

Natürlich geht es bei solchen Slogans mehr um Phonetik als um Theologie. Dennoch: Wer diesen Spruch verwendet, will aus der Schöpfungsgeschichte eine Ablehnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen ableiten können. Da lohnt es sich, einmal näher hinzusehen, denn der Spruch an sich ist genauso wahr wie inhaltsleer. Dass das erste Paar der Bibel aus Mann und Frau bestand, wird von niemandem angezweifelt. Die entscheidende Frage nach dem Warum wird ja bestenfalls angedeutet.

Es gibt natürlich viele Gründe, warum Adam und Eva nur Mann und Frau sein konnten, und viele von diesen Gründen sprechen nicht im Geringsten gegen gleichgeschlechtliche Beziehungen. Zum Beispiel die Notwendigkeit, dass sie sich vermehren, das heißt eigene, gemeinsame Kinder bekommen sollten – ein Segen, der gleichgeschlechtlichen Paaren offensichtlich vorenthalten ist. (Wieso das kein Grund gegen gleichgeschlechtliche Beziehungen ist, dazu werde ich bei Gelegenheit ausführlicher schreiben.)

Und natürlich die Tatsache, dass 90 bis 95 Prozent der Menschheit cis und hetero sind. Da Adam und Eva als erste Menschen sozusagen prototypisch für alle Menschen stehen, ist es nur logisch, ja geradezu zwingend, dass sie in ihrer sexuellen Identität dieser Mehrheit entsprechen. Diese zahlenmäßige Dominanz von cis-hetero halte ich übrigens tatsächlich für einen Teil des Schöpfungsplan. Und das ist auch gut so. Die Vorstellung, alle Welt müsse schwul bzw. lesbisch werden, zeugt für mich nicht gerade von klarem Verstand (vorsichtig gesagt), und zwar unabhängig davon, ob sie als Wunschvorstellung oder als Feindbild präsentiert wird.

Aus der bloßen Tatsache, dass Adam und Eva Mann und Frau waren, lässt sich sehr viel verschiedenes ableiten – und damit gar nichts. Wenn darin wirklich eine Ablehnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen liegen soll, muss der Bibeltext selbst dazu zusätzliche Hinweise liefern. Ich glaube, der entscheidende Abschnitt ist 1. Mose 2, 18 – 24. Und wenn man darin einen Hinweis sucht, dass Paare aus Mann und Frau bestehen müssen, findet man: nichts.

Ganz im Gegenteil: Es wird nur nicht im Geringsten auf irgendeinen Unterschied zwischen Mann und Frau Wert gelegt, es wird vielmehr die Gleichheit von Adam und Eva als Menschen betont. Evas Qualifikation als Adams Partnerin besteht darin, dass sie sich als Mensch von den Tieren unterscheidet, und auch Adam erkennt in Eva nicht eine von ihm unterschiedliche Frau, sondern einen ihm gleichen Menschen.

Dabei spielt es auch keine Rolle, ob in diesen Versen wirklich die eheliche Beziehung, oder, wie von manchen Auslegern vertreten, viel allgemeiner die Beziehung zweier Menschen beschrieben wird. Erstens geht es hier eindeutig um die Beziehung zwischen Adam und Eva, und die beiden waren nun mal ein Paar, und zweitens geht es ja um die Frage, ob die Schöpfungsgeschichte Hinweise gegen gleichgeschlechtliche Beziehungen liefert, und das tut sie weder nach der einen Auslegung noch nach der anderen.

Gott schuf Adam und Eva zweifellos und absichtsvoll als Mann und Frau. Daraus eine Ablehnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen ableiten zu wollen, ist von Voreingenommenheit getriebene Spekulation und hat biblisch keine Substanz. Wie sich diese Voreingenommenheit auswirkt, und was das mit 1. Mose 1, 27 zu tun hat, darüber geht es nächste Woche weiter.